Die wundersamen Wege der modernen Medikamente: Blutegel lösen Antibiotika-Resistenz aus

Von Nicole Freialdenhoven
28. Mai 2013

Vor einem Rätsel, das auch Dr. House gefallen hätte, standen nun plastische Chirurgen am Hôpital de la Conception im südfranzösischen Marseille: Nachdem sie einem Mann mit einer schweren Handverletzung ein Stück Haut aus dem Unterarm in die Hand verpflanzt hatten, entwickelte dieser eine Resistenz gegen das Antibiotikum Ciprofloxacin. Dieses sollte Infektionen der transplantierten Haut vermeiden.

Bei der Suche nach der Ursache für die plötzliche Resistenz stießen die Mediziner auf ein Bakterium mit dem Namen Aeromonas hydrophila, das dort eigentlich nichts zu suchen hatte und das langwierig mit weiteren Antibiotika bekämpft werden musste.

Als sich auch bei weiteren Transplantationspatienten die gleiche Resistenz einstellte, kamen die Ärzte dem Übeltäter allmählich auf die Spur: Schuld waren die medizinischen Blutegel, die in der plastischen Chirurgie eingesetzt werden um mit ihrem Speichel den Blutfluss in der transplantierten Haut zu verbessern. Die Patienten in Marseille waren mit jeweils zehn der Tierchen behandelt worden. Normalerweise sorgen Antibiotikaprophylaxe, Desinfektionen und steriles Wasser jedoch dafür, dass die Blutegel keine Bakterien auf die Menschen übertragen können.

Vermutlich ist die Ernährung der Blutegel schuld: Die Tierchen werden mit Geflügelblut ernährt und Geflügel wird in Europa immer häufiger mit Antibiotika behandelt. So gelangten Antibiotika vom gleichen Typ wie Ciprofloxacin vom Geflügel über die Blutegel in den Menschen und löste so die Resistenz aus. Mittlerweile wurden die Betroffenen mit anderen Antibiotika behandelt und befinden sich auf dem Weg der Besserung.