Genetische Veranlagung hat offenbar kaum Einfluss auf unsere Lebenserwartung

Forscher beobachteten bei der Analyse von Stammbäumen, dass die Gene für das Lebensalter nur eine geringe Rolle spielen

Von Cornelia Scherpe
26. November 2018

Die meisten Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass die Lebenserwartung eines Menschen zu einem großen Teil in dessen Genen festgeschrieben ist. Natürlich spielt das Risikoverhalten im Alltag eine Rolle und auch die Ernährung und Bewegungsfreude ist nicht unwichtig, aber an erster Stelle kommen die Gene. Viele Humangenetiker geben die Wichtigkeit der Veranlagung mit mindestens 15 oder sogar 30 Prozent an. Eine aktuelle Studie lässt genau an diesem Punkt nun erhebliche Zweifel aufkommen.

Einfluss des Genoms auf die Lebenserwartung geringer als vermutet

Forscher aus den USA haben sich insgesamt 54 Millionen Stammbäume genauer angesehen. Darin waren neben dem Verwandtschaftsgrad der insgesamt 400 Millionen Menschen auch das Geburts- und Sterbedatum vermerkt. Die untersuchten Männer und Frauen waren US-Amerikaner mit überwiegend europäischen Wurzeln.

Die Wissenschaftler berechneten nun, wie sich die Verwandtschaftsabstufung auf die Lebensdauer der Individuen auswirkte. Über den Grad der Verwandtschaft konnte man Aussagen über die Ähnlichkeit des Genoms treffen und so die Veranlagung als Faktor für die Lebenserwartung bewerten.

Eheleute häufig mit ähnlicher Lebenserwartung trotz unterschiedlicher Gene

Das interessante Ergebnis war, dass die direkte Abstammung (beispielsweise zwei Frauen, die Töchter desselben Elternpaares waren) gar nicht so wichtig für die Lebenserwartung war. Hingegen zeigten Ehepaare, die also genetisch kaum eine Übereinstimmung hatten, größere Ähnlichkeit in der Lebensspanne.

Wie erklärt sich das? Die Forscher bringen in diesem Zusammenhang den Begriff der assortativen Paarung ins Spiel. In der Evolutionsbiologie bezeichnet man so die Tendenz eines Menschen, sich einen Partner oder eine Partnerin mit ähnlicher Lebensweise zu suchen. Ein Raucher wird eher einen Menschen mit vergleichbarer Vorliebe für das Rauchen suchen. Sehr häufig nimmt man auch einen Lebensgefährten oder Lebensgefährtin aus einer vergleichbaren Sozialschicht, wodurch gute aber auch negative Lebensweisen verstärkt werden. Das bedeutet aber auch, dass die Lebenserwartung offenbar stärker von der Umwelt geprägt wird. Die Stammbaumanalyse sieht die genetische Veranlagung nur bei einer Wichtigkeit von unter zehn Prozent.