Gute Leser haben Probleme bei Gesichtererkennung
Wissenschaftler der INSERM Cognitive Neuroimaging Unit haben entdeckt, dass es einen Zusammenhang zwischen der Lesefähigkeit und anderen kognitiven Leistungen des menschlichen Gehirns gibt. Überraschenderweise stellte sich heraus, dass eine gute und früh erlernte Lesefähigkeit sich negativ auf andere Fähigkeiten wie das Erinnern von Gesichtern ausübt.
In dem Experiment unterzogen die Forscher ihre Probanden einem Gehirnscan. Unter ihnen waren Analphabeten, geübte Leser und Menschen, die erst zu einem späten Zeitpunkt das Lesen gelernt hatten. Bei den geübten Lesern zeigten sich zwar erhöhte Aktivitäten in Hirnarealen, die für das Erkennen von Formen zuständig sind; in Tests jedoch, in denen die Probanden Gesichter wiedererkennen sollten, schnitten sie schlechter ab als die Vergleichspersonen mit weniger ausgeprägter Lesekompetenz.
Der Forschungsleiter erklärt sich das Ergebnis als eine Folge der "neuronalen Recyclingtheorie": entwicklungsgeschichtlich neue Fähigkeiten wie das Lesen werden von Teilen des Gehirns übernommen, die früher beim Menschen etwa für Fähigkeiten zum Jagen oder bestimmte Gedächtnisleistungen zuständig waren.