Haustiere haben kleineres Gehirn als wilde Artgenossen: Anpassung liegt in den Genen

Von Nicole Freialdenhoven
17. Juli 2014

Schon Charles Darwin hatte im 19. Jahrhundert beobachtet, dass sich zahme Haustiere wie Hunde und auch domestizierte Nutztiere wie Schafe und Schweine im Aussehen von ihren wilden Artgenossen unterschieden: Er stellte fest, dass ihre Gesichtszüge rundlicher und "niedlicher" waren, mit kleineren Zähnen und oft abgeknickten Ohren. Die moderne Wissenschaft ergänzte seine Feststellung später um die Tatsache, dass Haustiere ein um bis zu 30 Prozent kleineres Gehirn haben als ihre wilden Artgenossen.

Defekte in der Neuralleiste im Gehirn

Eine Erklärung stand jedoch lange Zeit noch aus, denn diese Merkmale waren nicht von Menschen durch Zucht entstanden. Nun beschäftigten sich Forscher der Humboldt Universität in Berlin mit diesem Phänomen und entdeckten erstmals einen gemeinsamen Faktor bei unterschiedlichen Tierarten: Eine kleine Gruppe von Stammzellen in der sogenannten Neuralleiste im Gehirn.

Bei den domestizierten Tieren fanden sie in der Neuralleiste leichte Defekte, die dazu führten, dass ihre Nebennieren weniger Adrenalin und Stresshormone produzierten. Auch die unterschiedliche Ausprägung der Schädelknochen und die Entwicklung des Gehirns wurden dadurch beeinflusst.

Vererbung auf weitere Generationen

Allerdings ist noch unklar, warum die domestizierten Tiere über verschiedene Arten hinweg diese Defekte an der Neuralleiste zeigten. Die Forscher vermuten, dass die Menschen schon vor vielen Jahrhunderten, als sie die ersten Haustiere zähmten, unbewusst genau die Tiere ausgewählt hatten, die sanfter wirkten weil sie eben über jene Defekte verfügten. Diese vererbten sich dann über die Generationen hinweg weiter.