Schweiz - Frau bekommt intersexuelles Kind und bricht Tabu

Von Melanie Ruch
20. November 2012

Die Schweizerin Karin Plattner wurde vor 13 Jahren Mutter. Als die Hebamme die Erstuntersuchung bei ihrem Kind durchführte, kam für die Familie der Schock. Ihr Baby war weder männlich noch weiblich. Es hatte keine männlichen und auch keine weiblichen Geschlechtsorgane, sondern lediglich eine vergrößerte Klitoris.

Auch die Ärzte waren ratlos, führten zahlreiche Untersuchungen an dem Säugling durch. Es zeigte sich, dass das Kind genetisch gesehen ein Junge ist, da es einen männlichen XY-Chromosomensatz hatte. Doch die Ärzte entschieden sich dazu dem Kind eine Vagina zu formen, da dies bei den Gegebenheiten einfacher gewesen wäre als einen Penis aufzubauen.

Sie seien von den Ärzten regelrecht unter Druck gesetzt worden eine Entscheidung zu fällen und schnellstmöglich einen Operationstermin zu machen, erinnert sich die Mutter. Auch rieten ihr die Mediziner niemandem zu erzählen, was mit ihrem Kind los ist, da dies das soziale Aus für die Familie bedeutet und ihr Kind gemobbt würde. Die Eltern informierten sich, lasen haufenweise Geschichten von Betroffenen, die heute körperlich und seelisch unter der frühen Geschlechtsoperation leiden und entschlossen sich schließlich dazu ihr Kind nicht operieren zu lassen, um ihm die Entscheidung später selbst zu überlassen. Dennoch gaben sie ihrem Kind einen weiblichen Namen: für das Standesamt, das bereits drei Tage nach der Geburt den Namen des Kindes anfragte, der eindeutig männlich oder weiblich sein musste.

Mittlerweile ist ihre Tochter 13 Jahre alt und weiß, dass sie anders ist als andere Mädchen. Auch dass sie niemals ihre Periode oder Kinder bekommen wird, weiß sie. Ihre Mutter hat sich schon früh darum bemüht auch das nähere Umfeld über die Intersexualität ihrer Tochter aufzuklären. Ablehnung habe die Familie deswegen aber nie erfahren, so Plattner. Ganz im Gegenteil. Ihre Tochter sei sehr aufgeschlossen und habe einen sehr großen Freundeskreis.

Dass sie es später vielleicht schwerer haben könnte einen Partner zu finden, sei ein Weg den ihre Tochter gehen müsse und den ihr niemand abnehmen könne. Sie sei jedoch froh, dass sie sich damals nicht für die Operation entschieden habe und ihrer Tochter die Entscheidung selbst überlassen kann. Mit ihrem Wissen wolle sie nun auch anderen Betroffenen helfen sich nicht dem gesellschaftlichen Tabu der Intersexualität zu beugen, so Plattner.