Studienfinanzierung - Jeder Dritte würde anschaffen gehen

Ein Großteil der Studenten würde für Schuldenfreiheit anschaffen gehen

Von Matthias Bossaller
15. Juni 2011

Wie viele Studierende gehen wohl anschaffen, um ihr Studium zu finanzieren? Diese Frage stellten sich Felix Betzler und drei seiner Kommilitonen, die am Studienkolleg zu Berlin lernen, einer Initiative für besonders begabte Studenten aus Deutschland und Europa.

Sie selbst kannten niemanden und sie fanden auch keine wissenschaftlichen Untersuchungen dazu. Das habe die Gruppe überrascht. In den Medien würde darüber schließlich hin und wieder berichtet, sagte der 27-jährige Berliner Medizin- und Philosophiestudent.

Also haben die vier Studierenden eine eigene Studie gemacht, mit der sie ergründen wollten, ob es bestimmte Charaktereigenschaften oder Erfahrungen gibt, die die Wahrscheinlichkeit für Studentenprostitution erhöhen. Die Ergebnisse sind überraschend.

Jeder dritte Student in Berlin zur Prostitution bereit

Jeder dritte Student in Berlin kann sich der Studie nach entweder ohne Einschränkungen oder unter bestimmten Bedingungen vorstellen, sein Studium mit Prostitution zu finanzieren. Als Prostitution versteht Betzler und seine Mitstreiter auch die Arbeit für einen Begleitservice, Strippen oder Telefonsex.

Hoher Stundenlohn und Abenteuerlust

In Berlin wurden 3200 Studenten befragt. Männer waren dabei in etwa gleichem Maße vertreten wie Frauen. Man sei von einem höheren Frauenanteil ausgegangen, meinte Betzler. Weniger überraschend sind dagegen die Gründe für den ungewöhnlichen Nebenjob: Die betroffenen Studierenden sind zu mehr als 30 Prozent verschuldet.

Bei denen, die nicht in der Prostitution arbeiten, trifft das nur auf 18 Prozent zu. "Höhere Stundenlöhne" und "finanzielle Notsituation" waren dann auch die Gründe, die am häufigsten für den Weg in die Prostitution genannt wurden. Mit großem Abstand folgten "Suche nach Abenteuern" und "Spaß am Sex".

Laut Studie sind die sich prostituierenden Studierenden überwiegend in höheren Semestern und im Schnitt knapp 26 Jahre alt. Auffällig ist, dass mit gut 52 Prozent ähnlich viele in einer festen Beziehung leben wie die sich nicht prostituierenden Studierenden. Auch charakterlich scheinen sie sich kaum von ihren Kommilitonen zu unterscheiden.

Ein Persönlichkeitstest ergab bei Eigenschaften wie Offenheit, Verträglichkeit oder Gewissenhaftigkeit nur sehr geringe Unterschiede. Die gibt es dagegen bei der sexuellen Orientierung: Nur 49 Prozent der Sexarbeiter bezeichneten sich als heterosexuell, in der Vergleichsgruppe waren es 85,5 Prozent. 13,3 Prozent gaben an, homosexuell zu sein, während sich 37,8 Prozent als bisexuell bezeichneten.

Ein Beruf mit Folgen

Nach eigenen Angaben verdienen die Befragten zwischen 50 am Tag und 5000 Euro in der Woche. Der Preis dafür ist allerdings hoch: Rund 60 Prozent sagten, sie würden unter Stigmatisierung, sozialer Ausgrenzung, Geschlechtskrankheiten und Problemen in der Partnerschaft leiden.

Das Studienkolleg zu Berlin für europäischen Führungsnachwuchs ist eine gemeinsame Initiative der Studienstiftung des deutschen Volkes und der Hertie-Stiftung in Kooperation mit dem Wissenschaftskolleg zu Berlin und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.