Taub geborene Menschen fühlen intensiver - das Gehirn passt sich an den Verlust an

Von Cornelia Scherpe
13. Juli 2012

Menschen, die ohne den Hörsinn zur Welt kommen, nehmen ihr Umfeld von Anfang an anders wahr. Sie müssen sich mehr auf ihre übrigen Sinne konzentrieren und erschaffen sich nach und nach eine eigene Art, mit den Menschen und Dingen umzugehen. Neurologen konnten nun zum ersten Mal auch zeigen, wie diese Notwendigkeit zur Kompensation das Gehirn von Gehörlosen verändert. In einer Studie konnten Forscher belegen, dass Menschen ohne Gehör intensiver fühlen.

Zwölf taube Menschen und zwölf Probanden mit normalen Hörsinn nahmen an der Studie teil. Alle wurden via MRT untersucht, während das Experiment lief. Dabei trugen sie Kopfhörer, aus denen Luftstöße kamen und das Gesicht berührten. Gleichzeitig wurde ein Blitz sichtbar, sodass also zwei Gefühlseindrücke und ein visueller Eindruck entstanden. Die gesunden Menschen nahmen dies auch so wahr. Sie spürten beide Berührungen und sahen einen Blitz. Die tauben Probanden jedoch spürten zwei Berührungen und sahen zwei Blitze. Dieses Experiment kennt man bereits aus dem Versuch mit blinden Menschen. Bei ihnen ist das Hören deutlich sensibler ausgebildet und daher sehen sie zwei Blitze, wenn sie zwei Töne hören. Diese Sinnestäuschung tritt also auch bei Gehörlosen auf, wenn man den akustischen Reiz durch eine Berührung ersetzt.

Auch das MRT zeigte, dass die Tauben auf den Tastreiz sensibler reagierten. Bei ihnen aktivierte sich im Gehirn das Areal, das eigentlich für das Hören zuständig ist. Der sogenannte "auditorische Cortex" ist nun aber nicht länger für Tonsignale, sondern für Berührungen zuständig. Die angeborene Taubheit verändert also die normale Struktur des Gehirns extrem.