Zu Risiken und Nebenwirkungen: selbst Ärzte deuten Beipackzettel falsch

Von Dörte Rösler
18. Oktober 2013

Wie wahrscheinlich sind Nebenwirkungen von Medikamenten? Darüber soll eigentlich der Beipackzettel Auskunft geben. Eine Studie zeigt jedoch, dass selbst Ärzte und Apotheker die Angaben zur Häufigkeit von Nebenwirkungen falsch interpretieren. In der Regel setzen sie das Risiko viel zu hoch an.

Wissenschaftler vom Lübecker Institut für Medizinische Biometrie und Statistik verschickten Fragebögen an 600 Ärzte, 200 Pharmazeuten und 200 Juristen. Darin fragen sie, was es bedeutet, wenn auf dem Beipackzettel gewarnt wird, dass eine Nebenwirkung "häufig", "gelegentlich" oder "selten" auftritt. Die Forscher gingen davon aus, dass die Fachleute die rechtliche Definition dieser Begriffe kennen. Denn das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gibt klare Prozentangaben vor: eine Nebenwirkung gilt als häufig, wenn sie bei ein bis maximal zehn Prozent der Patienten auftritt. Ein gelegentliches Auftreten ist auf 0,1 bis 1 Prozent beziffert. Seltene Nebenwirkungen liegen sogar noch unter 0,1 Prozent.

Beim Rücklauf der Fragebögen zeigte sich jedoch ein überraschendes Ergebnis. Die Mehrzahl der Ärzte ordnete den Begriffen überhöhte Prozentwerte zu. So schätzten sie das Risiko von häufigen Nebenwirkungen mit 60 Prozent ein - statt der tatsächlichen maximalen 10 Prozent. Lediglich die Apotheker waren etwas sicherer in ihrer Beurteilung.

Einen weiteren interessanten Aspekt beleuchtet eine britische Studie aus dem Jahr 2009. Psychologen der Universität Leeds konnten nachweisen, dass Krebspatienten die Risiken von Medikamenten realistischer einschätzen, wenn diese in konkreten Zahlen genannt werden. Bei schwammigen Formulierungen wie "häufig" oder "gelegentlich" neigt der Mensch offenbar dazu, die Gefahr zu überschätzen.