40 Prozent aller Wachkomadiagnosen falsch

Wachkoma häufig Minimaler Bewusstseinszustand

Von Frank Hertel
16. März 2011

In Deutschland gibt es etwa 40000 Langzeitkomapatienten. Bei den meisten von ihnen wurde ein Wachkoma diagnostiziert. Der Mensch kann also meist selbstständig atmen und hat die Augen offen, außerdem gibt er gelegentlich Laute von sich. Ein Wachkoma kann nach einer schweren Hirnschädigung entstehen.

Unterscheidung zwischen Wachkoma und Minimalem Bewusstseinszustand

Der Neurologe und Medizinethiker Ralf Jox von der Universität München sagt, dass nach einem Jahr echtem Wachkoma keine Chance mehr auf ein Wiedererwachen des Patienten bestehe. Wenn es dennoch immer wieder Fälle von "Wachkomapatienten" gebe, die nach mehreren Jahren gesund aufwachen, dann hätten diese Patienten nicht an einem "Wachkoma" sondern an einem "Minimalen Bewusstseinszustand" gelitten. Die Diagnose "Minimaler Bewusstseinszustand" gibt es erst seit rund zehn Jahren. Es ist die Phase über dem Wachkoma, in der sich die Hirnschädigung etwas geheilt hat oder erst gar nicht so schlimm war.

Der Belgier Steven Laurey von der Coma Science Group hat 54 Wachkomapatienten dazu instruiert, Tennis zu spielen. Mit Hilfe eines Kernspintomographen konnte er bei fünf Patienten tennischarakteristische Hirnströme nachweisen. Ein Patient konnte sogar auf Ja/Nein-Fragen antworten. Die Studie ist im "New England Journal of Medicine" nachzulesen. Laurey behauptet, 40 Prozent aller Wachkomadiagnosen seien falsch. Ärzte merkten es oft nicht, wenn in Wirklichkeit ein Minimaler Bewusstseinszustand vorliege.

Behandlungsmöglichkeiten bei Minimalem Bewusstseinszustand

Wenn der erreicht ist, sei eine Therapie möglich. Oft bleibe jedoch auch dann eine schwere Behinderung zurück. Die Psychologin Andrea Kübler von der Universität Würzburg sagt, Patientenverfügungen, die im Falle eines Wachkomas passive Sterbehilfe verlangten, sollte man nicht in die Tat umsetzen, weil man nicht wissen könne, wie sich ein Leben im Wachkoma anfühle, ob es also nicht doch ein angenehmer und lebenswerter Zustand sei, den man nicht einfach so beenden sollte. Viele Ärzte denken so.

Deshalb werden Patientenverfügungen oft nicht beachtet und müssen von Angehörigen manchmal gerichtlich durchgesetzt werden.