Der Neandertaler besaß eine geringere Schmerzschwelle

Verantwortliches Gen existiert noch

Von Cornelia Scherpe
7. Januar 2021

Die Geschichte der Menschheit ist noch immer ein großes Feld, auf dem es dank moderner Technik beständig neue Puzzlestücke zu analysieren gibt. Die Genforschung der jüngsten Zeit macht es beispielsweise möglich, das Leben unserer Vorfahren auf einer neuen Ebene zu betrachten. Die neusten Erkenntnisse veröffentlichte nun das Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie gemeinsam mit Kollegen des Karolinska-Insti­tuts in Schweden.

Das internationale Team sah sich den Neandertaler an. Er entwickelte sich parallel zum Homo sapiens. Letzterer lebte zunächst nur in Afrika, während der Neandertaler seine Wiege in Europa hat. Auch wenn der Homo sapiens ihn auf dem Weg der Menschheitsgeschichte verdrängt hat, gab es offenbar Vermischungen, die bis heute im Genpool des modernen Menschen anzutreffen sind. Der Neandertaler trug nämlich, anders als der Homo sapiens, eine Genvariante in sich, die seine Schmerzschwelle niedriger ansetzte. Das bedeutet, dass bereits leichtere Reize aus der Umwelt genügten, um Schmerzimpulse an das Gehirn zu senden.

Genvariante auch heute noch beim Menschen nachweisbar

Spannend ist nun, dass die Forscher diese Genvariante bei heute lebenden Menschen finden konnten. Noch heute bewirkt das Gen, dass der elektrische Schmerzimpuls durch einen besonderen Io­nen­kanal früher getriggert wird.

Zwar ist Schmerz immer subjektiv, doch Forschungen konnten zumindest auf biologischer Ebene bestimmen, wie schnell und stark Schmerzimpulse senden. Dies ändert sich bei den meisten Menschen tatsächlich mit den Lebensjahren. Kinder sind dabei deutlich schmerzempfindlicher als Erwachsene, was eine Schutzmaßnahme der Evolution sein dürfte. Menschen mit der Genvariante der Neandertaler besitzen jedoch selbst als Erwachsene eine Schmerzschwelle, die in etwa der eines Achtjährigen entspricht.