Die neue Art zu lesen: User scannen Texte in F-Form

Von Christine Krusberski
30. Mai 2014

Das Internet verändert die Lesetechnik: Der User scannt die Texte in F-Form und springt von Absatz zu Absatz. Kann der Textinhalt mit dieser Lesegewohnheit überhaupt noch aufgenommen werden oder sind nur noch Passagen mit Schlüsselwörtern interessant?

Sprunghafte Online-Leser mit Stichwort-Ambition

Studien des dänischen Informatikers Jakob Nielsen analysieren den Leseprozess im Internet. Demzufolge lesen User zwar die erste Zeile, überfliegen dann aber den Text und wandern im F-Format entlang des linken Bildrandes. Der Online-Leser hüpft durch ein Kapitel und erfasst Wortgruppen statt einzelne Worte zu lesen. Informatiker beobachteten 25 Studienteilnehmer über mehrere Wochen und stellten fest, dass jeder vierte Aufruf einer Website nur vier Sekunden dauerte.

Junge Online-Leser haben eine Ambition zu Stichworten. Ein Text wird nicht mehr komplett gelesen, sondern gescannt. Gerade im Internet lassen sich viele User durch fettgedruckte Passagen, Links oder Zwischenüberschriften ablenken und nutzen andere Lesegewohnheiten als bei Texten im Druckformat. Einige Linguisten und Neurowissenschaftler befürchten jetzt, dass vertieftes und intellektuelles Lesen bald nicht mehr möglich ist.

Multitasking-Fähigkeiten durch digitale Medien

Die Theorie der amerikanischen Wissenschaftlerin Maryanne Wolf: User, die in ihrem Leben früh in die Online-Welten abtauchen, entwickeln Multitasking-Fähigkeiten, weil ihre Aufmerksamkeit ständig auf neue Web-Inhalte gelenkt wird.

Das Reflektieren von Lektüre könnte für die neue Generation immer unwichtiger werden. Die Ansprüche junger Leute haben sich geändert - kurze Sätze und prägnante Fakten sind gefragt. Oft reichen schon ein paar einzelne Lesehäppchen aus, um sich mit Gleichgesinnten auszutauschen.

Der Online-Leser sortiert innerhalb von Sekundenbruchteilen in Wichtig und Unwichtig. Viele Leseforscher sehen aber keinen Grund zur Sorge. Experimente beweisen, dass der Mensch Texte auf Papier zwar schneller liest, gescannte Webinhalte aber genauso gut versteht. Keiner kann bisher genau erklären, was wirklich beim sprunghaften Erfassen von Textinhalten im Gehirn der Leser geschieht.