Klingeln im Ohr - Tinnitus infiltriert viele Bereiche des Gehirns

Ein Tinnitus aktiviert zahlreiche weitere Hirnareale als ein normales Geräusch

Von Dörte Rösler
27. April 2015

Wenn es im Ohr klingelt, summt oder pfeift, kann das die Betroffenen zermürben. Fast jeder zweite Mensch erlebt einmal im Leben einen Tinnitus.

Bei jedem fünften dauert es mehrere Monate, bis die Ohrgeräusche wieder verschwinden. Forscher haben nun herausgefunden, warum: der Tinnitus setzt sich weiträumig im Gehirn fest und aktiviert viel mehr Hirnareale als ein normales Geräusch.

Wie Tinnitus entsteht

Über die Ursachen von Ohrgeräuschen tappen die Wissenschaftler noch weitgehend im Dunkeln. Bekannte Auslöser sind

Jeder, der einmal auf einem Rockkonzert neben den Lautsprechern stand, kennt das tagelange Fiepen im Ohr.

Auch psychischer Stress kann zur Fehlverarbeitung von akustischen Signalen im Gehirn führen. Betroffen sind vor allem Menschen mit einem empfindlichen Gehör, deren auditives System bei Überlastung überreizt wird. Selbst wenn kein akustischer Schall nachweisbar ist, interpretiert ihr Gehirn bestimmte neuronale Aktivitäten als Ton.

Messungen direkt im Gehirn

Konkrete Studien zur Reizverarbeitung beim Tinnitus gibt es allerdings kaum. Um Messungen vorzunehmen, müsste man den Patienten Elektroden in das Gehirn einsetzen - was nur in absoluten Ausnahmefällen möglich ist.

Ein solcher Fall ist etwa ein älterer Mann, der zur Kontrolle seiner Epilepsie mehrere Elektroden auf der Hirnoberfläche trug. Zugleich litt der 50-Jährige an beidseitigem Ohrgeräuschen. Für die Forscher eine seltene Gelegenheit, um den Tinnitus "vor Ort" zu beobachten. Mit überraschenden Ergebnissen.

Tinnitus setzt sich im Gehirn fest

Normale Geräusche werden wesentlich vom Hörzentrum im Gehirn verarbeitet. Auch das Klingeln und Rauschen eines Tinnitus bildet sich dort ab. Darüber hinaus aktiviert das Phantomgeräusch aber zahlreiche weitere Hirnareale, etwa

  • den sensomotorischen Cortex,
  • den Temporal- und Parietiallappen sowie
  • das limbische System, in dem vorrangig Emotionen verarbeitet werden.

Manche herkömmliche Therapie greift deshalb zu kurz. Auch das Nachahmen eines Tinnitus durch künstlich produzierte Ohrgeräusche bildet nicht die wahre Qualität des Leidens ab. Die fehlgesteuerten Gehirnaktivitäten beim Tinnitus sind wesentlich komplexer und deshalb auch so schwer wieder abzulegen.