Körperliche Züchtigung im Elternhaus erhöht die Gewaltbereitschaft im Jugendalter

Wer als Kind Gewalt in Schule oder Elternhaus erfahren hat, übt als Jugendlicher häufiger selbst Gewalt aus

Von Cornelia Scherpe
7. November 2018

Immer wieder wird durch Fälle in den Medien und auch Erlebnisse aus dem eigenen Umfeld die Aufmerksamkeit auf eine traurige Tatsache gelenkt: Es gibt viele Jugendliche, die eine klare Bereitschaft zur Gewalt zeigen. Doch woher kommt die Tendenz bei vielen Heranwachsenden? Eine aktuelle Studie sieht den Zusammenhang dort, wo viele Erzieher, Lehrer und Betreuer ihn lange schon vermuten: Die Betroffenen haben in der frühesten Kindheit selbst Gewalt erfahren oder erfahren sie noch immer. So entsteht eine Spirale der Gewalt.

Kompensation der Machtlosigkeit im Elternhaus

Laut Statistik der UNICEF sind mindestens 17 Prozent der Mädchen und Jungen auf der Welt regelmäßig Opfer körperlicher Züchtigungen. Sie werden bei Vergehen von Eltern oder anderen Erwachsenen geschlagen und getreten. Das verletzt nicht nur den Körper, sondern verändert auf Dauer auch die Psyche. Gerade in der Pubertät, wenn die Jugendlichen in der Selbstfindung stecken, neigen misshandelte Kinder eher dazu, selbst Gewalt anzuwenden. Oft erfolgt diese dann gegen Gleichaltrige oder jüngere Mädchen und Jungen. Sie wollen damit Macht ausüben, um die Zuhause erlebte Machtlosigkeit zu kompensieren.

Die aktuelle Auswertung stammt von der Universität in Montreal und berücksichtigte die Daten zweier Studien. Aus der HBSC-Studie ("Health Behaviour in School-aged Children") konnte man die Informationen von Kindern aus 48 Ländern (Europa und USA) auswerten. Mit der GSHS-Studie ("Global School-based Health Survey") kam noch der Blickwinkel von 55 Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen hinzu. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studien waren im Abstand von vier Jahren zu verschiedenen Lebensbereichen befragt worden.

Elternhaus hat größten Einfluss auf die Gewaltbereitschaft

Ein klassischer Geschlechterunterschied: Jungen prügeln dreimal so häufig (9,92 Prozent) wie Mädchen (2,81 Prozent). Die Gewaltbereitschaft ist am geringsten, wenn die Gesetzeslage des jeweiligen Landes sowohl Lehrern als auch Eltern die körperliche Züchtigung verbietet. So sinkt die Jugendgewaltbereitschaft um 31 Prozent bei Jungen und um 58 Prozent bei Mädchen. Sind Prügel hingegen nur in der Schule verboten, jedoch nicht im Elternhaus, sinkt die Bereitschaft nur minimal bei Mädchen. Die Vorbildfunktion der Eltern ist daher enorm.