Mythos "Frauen und Kinder zuerst" ist falsch: Bei Schiffsunglücken ist sich jeder selbst der Nächste

Von Nicole Freialdenhoven
2. August 2012

Seit dem Untergang der Titanic hat sich das Bild der großherzigen Männer eingeprägt, die in höchster Not Frauen und Kindern die Rettungsboote überlassen, auch wenn es sie das Leben kostet. Einer Studie zufolge war die Titanic-Katastrophe jedoch eher die Ausnahme als die Regel: Bei den meisten Schiffsunglücken denken Passagiere und Crew nur an die eigene Haut. So war dann auch die Empörung über den Kapitän der Costa Concordia, der früh das sinkende Schiff verließ, nicht unbedingt gerechtfertigt, denn die meisten Kollegen halten es ähnlich.

Bei der Studie der Universität Uppsala in Schweden wurden die Daten von 18 Schiffsunglücken der letzten 100 Jahre ausgewertet. Dabei stellte sich heraus, dass nur in der Hälfte der Fälle der Kapitän mit seinem Schiff unterging - die anderen hatten sich alle früh aus dem Staub gemacht. Auch die Besatzung hatte gewöhnlich größere Überlebenschancen, weil sie mit Schiff und Notfallmaßnahmen besser vertraut waren.

Deutlich waren auch die Ergebnisse, was Frauen und Kinder anging: Lediglich in 5 von 18 Fällen wurde das Kommando "Frauen und Kinder zuerst" überhaupt erteilt und nur zweimal (darunter beim Untergang der Titanic) überlebten mehr Frauen als Männer. Positiv sei jedoch zu vermerken gewesen, dass die Überlebenschancen der Frauen nach dem 1. Weltkrieg kontinuierlich anstiegen: Die Forscher führten dies auf die Emanzipation und die größere Selbständigkeit der Frauen zurück, sowie über ihr gestiegendes soziales Ansehen.