Trauriger Trend: Kinder und Jugendliche zeigen immer weniger Gemeinschaftssinn und Mitgefühl
Vor allem Jungen aus sozialschwachen Familien sind immer häufiger empathielos
Da der Mensch ein soziales Wesen ist und sich auf den Schutz und den Rückhalt seiner Gruppe verlassen muss, sollte der Gemeinschaftssinn bei den meisten zumindest durchschnittlich ausgeprägt sein. Viele machen im Alltag jedoch die Erfahrung, dass der allgemeine Zusammenhalt weniger zu werden scheint. Ob diese Wahrnehmung stimmt, hat eine aktuelle Studie untersucht und bestätigt leider den Verdacht: Unsere Gemeinwohlorientierung nimmt ab und das beginnt bereits bei den Jüngsten.
Die Forscher der Universität Bielefeld befragten insgesamt 618 Kinder zwischen sechs und elf Jahren sowie 353 Jugendliche zwischen zwölf und 16 Jahren. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden jeweils altersgerecht interviewt und ihr Gemeinschaftssinn aus den Antworten abgeleitet. Neben konkreten Fragen zu ihrem Alltag und Erfahrungen mit Mobbing gab man den Jungen und Mädchen auch theoretische Szenarien. Sie sollten sich beispielsweise vorstellen, dass ein Kind niemanden zum Spielen findet und ihre Gefühle dazu beschreiben. Außerdem wurde das Mitgefühl für andere Lebewesen getestet, indem eine Szene mit einem verletzten Tier beschrieben wurde.
Die Daten zeigen, dass 22 Prozent der Kinder und 33 Prozent der Jugendlichen keinen Gemeinschaftssinn mehr zeigen. Ihnen fehlt es an Mitgefühl und sie sehen keinen Grund darin, mit anderen zu teilen. 70 Prozent antworteten auf Probleme anderer mit Versionen der Aussage "Selbst schuld". Auch Nachhaltigkeit interessiert die meisten nicht wirklich. Außerdem hatten 25 Prozent bereits Erfahrungen mit Mobbing gemacht.
Vor allem Jungen und Kinder aus sozialschwachen Familien zeigen fehlenden Gemeinschaftssinn und Empathielosigkeit
Die Wissenschaftler fanden jedoch einen klaren Unterschied bei den Geschlechtern. Unterteilte man die Gesamtgruppe in weiblich oder männlich, fehlte nur 21 Prozent der Mädchen ein Gemeinschaftssinn. Bei den Jungen waren es erschreckende 44 Prozent. Ging es um Empathie (gequälte Tiere, einsame Kinder etc.) reagierten 31 Prozent der Mädchen und 76 Prozent der Jungen empathielos.
Einen weiteren Unterschied fand man, als man Kinder nach dem sozialen Umfeld aufteilte. Bei jenen aus armen Verhältnisse neigten 50 Prozent zu abwertenden Bemerkungen gegenüber Minderheiten. Bei Kindern mit stabilem sozioökonomischen Hintergrund waren es nur 16 Prozent.
Die Forscher befürchten aufgrund dieser Zahlen, dass die Solidargemeinschaft insgesamt abnimmt. Ob der Trend sich fortsetzt und auch in anderen Ländern besteht, kann die Studie allein nicht beantworten. Eine gewisse Übertragbarkeit auf andere westliche Länder liegt aber nahe.