Weniger Asthma durch das Leben auf dem Bauernhof: ist Sialinsäure der Grund?

Neuer Ansatz für die Asthmatherapie? Wie Tiere vom Bauernhof helfen können

Von Cornelia Scherpe
27. Juli 2017

Einige Studien konnten bereits zeigen, dass Kinder vom Land seltener an Asthma erkranken als ihre Altersgenossen in der Stadt. Der Zusammenhang ist zwar eindeutig, doch bislang gibt es nur Mutmaßungen über den Grund. Eine Studie aus der Schweiz liefert jetzt Hinweise darauf, dass Sialinsäure der Schlüssel zum Verständnis sein könnte.

Sialinsäuren kommen im tierischen und menschlichen Körper als natürliche Bestandteile vor. Sie sind ein Teil der Glykopeptide und der Glykolipide. Diese befinden sich auf der Membran der Schleimhautzellen sowie auf der Zellmembran von Sekreten.

Der Verlust von Neu5Gc

Durch eine Mutation in der Menschheitsgeschichte vor rund drei Millionen Jahren ging dem Menschen allerdings eine bestimmte Sialinsäure verloren: Neu5Gc. Anders als den Tieren fehlt dem Menschen nun ein Enzym, das zur Herstellung von Neu5Gc notwendig wäre und daher fällt diese Sialinsäure aus.

Der menschliche Körper ist allerdings dazu in der Lage, Neu5Gc über die Nahrung und über den Hautkontakt mit Tieren aufzunehmen. Studien zeigen, dass es sich anschließend wieder auf den Schleimhäuten nachweisen lässt. Und genau an dieser Stelle kommt das Leben auf dem Bauernhof ins Spiel.

An der Universität Zürich werteten Forscher die Blutproben von Kindern aus, die auf einem Bauernhof lebten. Bei ihnen ließen sich viele Antikörper gegen die Sialinsäure Neu5Gc feststellen. Das ist normal, da Neu5Gc nicht angeboren ist, sondern erst beim Tierkontakt erworben wird. Entsprechend reagiert zunächst das Immunsystem auf den Eindringling.

Später wird Neu5Gc aber offenbar toleriert, denn die Kinder mit den höchsten Antikörperwerten (und damit höchstem Neu5Gc-Kontakt) entwickelten am seltensten Asthma. Die Forscher gehen daher davon aus, dass Neu5Gc vor Allergien schützt. Ob das stimmt, überprüften sie direkt in einem Experiment.

Sie nahmen Mäuse, die genetisch so verändert wurden, dass sie wie der Mensch kein Neu5Gc mehr besaßen. Führte man einer Teilgruppe nun Neu5Gc über die Nahrung zu, kam es auch bei der Provokation mit Hausstaub bei diesen Tieren selten zu Asthmasymptomen. Dies könnte für die Asthmatherapie ein neuer Ansatz werden.