Zivilcourage zeigen - wann und wie sollte man bei Streitigkeiten eingreifen?

Wir klären auf, wann man sich einmischen sollte und wie man eine gewalttätige Konfrontation vermeidet

Von Dörte Rösler
19. Juni 2015

Zivilcourage ist wichtig für eine Gesellschaft. Wer in fremde Streitigkeiten einsteigt, begibt sich aber auch in Gefahr. Konflikttrainer geben Tipps, wann man sich einmischen sollte und wie man eine gewalttätige Konfrontation vermeidet. Oberstes Gebot: das Opfer schützen - und das eigene Leben.

Pflicht zur Hilfe

Die meisten Menschen fühlen sich moralisch verpflichtet, anderen zu helfen. Wenn sie es nicht tun, melden sich Schuldgefühle. Zivilcourage ist aber auch eine Pflicht: Wer eine Straftat beobachtet, muss laut Gesetz im Rahmen seiner Möglichkeiten einschreiten und widerrechtlich Angegriffenen helfen. Für eventuelle Schäden an

kommt die gesetzliche Unfallversicherung auf. Aber wann ist das Einschreiten wirklich nötig, und wie verhält man sich am besten, um eine Eskalation zu vermeiden?

Überblick verschaffen

Wenn zwei Männer einen Dritten vor die U-Bahn stoßen wollen, bleibt keine Zeit um nachzudenken. Bei den meisten Streitigkeiten ist die Situation jedoch zunächst unklar. Konflikttrainer raten deshalb, sich zunächst einen Überblick zu verschaffen: was ist das für ein Streit, welche Gefahren bestehen?

Meist reichen auch ein paar Sekunden aus, um eine schnelle Kosten-Nutzen-Analyse durchzuführen. Bin ich körperlich imstande einzugreifen? Was muss ich als Mindestes tun, um dem Opfer zu helfen, und wie halte ich mein eigenes Risiko dabei möglichst gering? Wenn andere Beobachter da sind, sollte man etwa deren Unterstützung suchen.

Den Täter stören

Niemand muss in eine körperliche Auseinandersetzung gehen. Oft lässt sich ein Täter schon irritieren, wenn man aus der Ferne laut ruft: "Hey, was machen Sie denn da?" Dadurch hält man sich selbst aus der Gefahrenzone und gibt dem Opfer die Gelegenheit, sich aus der bedrohlichen Situation zu befreien.

Wenn man näher an das Geschehen herangehen muss, sollte man nichts tun, was den Gewaltpegel erhöht. Empfehlenswert sind deshalb neutrale Fragen wie

  • "Brauchen Sie Hilfe?" oder
  • "Was ist passiert?"

Der Täter wird dadurch für einen Moment im Tatablauf gestört, weil er nachdenken muss. Zugleich bekommt er die Möglichkeit, die Situation ohne Gesichtsverlust zu beenden.

Eigene Aggressionen vermeiden

Geht man einen potentiellen Täter sofort aggressiv an, provoziert dies meist eine Eskalation. In bedrohlichen Situationen sollte man sich also keinesfalls zu Beleidigungen oder Handgreiflichkeiten hinreißen lassen. Bei Zivilcourage geht es nicht darum, sich gegen den Täter zu wenden, sondern das Opfer aus seiner Bedrängnis zu holen.

Wer gewalttätig wird, mag zwar das Opfer aus dem Fokus nehmen - dafür gerät er selbst ins Visier der Täter. Wie der Fall der Tuğçe Albarak zeigt, kann der Gesichtsverlust eines Täters so groß sein, dass er nach einer bereits geklärten Situation gegen den Helfer zurückschlägt.

Wenn bereits geprügelt wird, rät die Polizei in jedem Fall vom Eingreifen ab. Spätestens wenn Messer oder andere Waffen im Spiel sind, sollte man den Notruf 110 wählen und den telefonischen Kontakt halten, bis die Polizei eingetroffen ist.