Aralsee fast verschwunden: Ostbecken erstmals seit Mittelalter ausgetrocknet

Von Ingo Krüger
2. Oktober 2014

Bis 1960 war der Aralsee noch das viertgrößte Binnengewässer der Welt. Bis zu Beginn der 1960er Jahre dehnte er sich auf einer Fläche von rund 68.000 Quadratkilometern aus. Heute ist der Aralsee nahezu verschwunden.

Erste vollständige Austrockung seit dem Mittelalter

Aufgrund lang anhaltender Trockenheit ist das östliche Becken des Sees im Sommer 2014 erstmals seit dem Mittelalter vollständig ausgetrocknet. Ehemalige Hafenstädte wie Aral (Kasachstan) und Moʻynoq (Usbekistan) liegen mittlerweile 30 beziehungsweise 80 Kilometer vom Ufer des Aralsees entfernt. In der Wüste befinden sich aber immer noch Schiffswracks aus der Zeit, als die Fischereiwirtschaft florierte.

Salz- und Temperaturanstieg beschleunigen den Prozess

Von den Hauptzuflüssen Amudarja und Syrdarja wurden seit der Stalinära (1929-1953) große Wassermengen für die künstliche Bewässerung riesiger Anbauflächen für Baumwolle entnommen. Durch den geringeren Zufluss sank seitdem der Wasserspiegel des Sees kontinuierlich. Das Wasservolumen hat sich um 90 Prozent reduziert, gleichzeitig vervierfachte sich der Salzgehalt. Die Temperaturen steigen an und die Austrocknung wird beschleunigt.

Nach dem Rückzug der Wasserlinie bleibt eine Salz- und Staubwüste, die durch den jahrzehntelangen Gebrauch von künstlichen Düngemitteln, Pestiziden und anderen Schadstoffen hoch gesundheitsgefährdend ist. Die Kindersterblichkeit ist in dieser Region viermal höher als in Russland. Sie liegt auf dem Niveau von Ländern wie Kamerun, Sudan oder Simbabwe. Die Zahl von Fehlbildungen und Behinderungen Neugeborener nimmt ständig zu.

Dammprojekt nur im nördlichen Teil

Um zumindest den nördlichen Teil des Aralsees zu retten, baute Kasachstan 2003 den Kokaral-Damm, um das Wasser zurückzuhalten. Seitdem stieg der Meeresspiegel dort wieder an, Fischbestände erholten sich. Im Südteil fehlt dieses Wasser jedoch. Usbekistan, welchem die Südhälfte des Großen Aralsees gehört, kritisierte das Projekt als "egoistisch".