Ein Gen-Fragment entscheidet über die Entwicklung eines Gehirns

Für die Entwicklung des Gehirns ist entscheidend, welche Variante eines Eiweißes aus dem Gen "Ube3a" gebildet wird

Von Cornelia Scherpe
15. April 2015

Der menschliche Organismus ist so komplex, dass ihm all seine Geheimnisse erst nach und nach entlockt werden können. Die neuste Erkenntnis betrifft das Gehirn und ist besonders interessant.

Forscher haben herausgefunden, dass ein einzelnes Gen-Fragment dafür entscheidend ist, ob Nervenzellen im Gehirn sich vernetzen oder nicht. Das Fragment entscheidet demnach, wie gut sich das Hirn entwickelt.

Vor der Bildung eines neuen Proteins, wird zunächst ein RNA-Transkript angefertigt

Um diesen Vorgang zu verstehen, muss man einen Schritt zurückgehen. Der Körper besitzt Gene, die wie eine Bauanleitung funktionieren. In ihnen ist verschlüsselt, wie beispielsweise ein bestimmtes Eiweiß aufgebaut ist. Wird das Gen aktiviert, kann das entsprechende Protein gebildet werden.

Dabei wird nach der Aktivierung des Gens aber nicht sofort in die Bauphase gestartet, sondern zunächst eine Abschrift angefertigt. Die Abschrift nennt man RNA-Transkript. Das kann man sich in etwa so vorstellen, als würde man ein Backrezept nehmen und es noch einmal abschreiben, bevor man mit dem Backen beginnt.

Langversion und Kurzversion

In der aktuellen Untersuchung nahmen Forscher das Gen "Ube3a" genauer unter die Lupe. Es sitzt im Gehirn und kann beim Aktivieren entweder ein komplettes RNA-Transkript bilden, oder nur eine verkürzte "Backanleitung". Entsprechend liegt das am Ende produzierte Eiweiß in verschiedenen Varianten vor: Ube3a2 und Ube3a3 als "Langversion" und Ube3a1 als "Kurzversion".

Die Analyse zeigt, dass die verkürzte Eiweißform eine ganz besondere Aufgabe hat. Ube3a1 befindet sich in den sogenannten "Dendriten". Dies sind Zellfortsätze, die im Gehirn zur Vernetzung von Zellverbänden dienen. Viele Dendriten fördern das Reifen neuer Hirnzellverbände und lassen damit das gesamte Hirn heranreifen.

Ube3a1 bremst das Wachstum aus

Ube3a2 und Ube3a3 fördern diese Bildung, während das verkürzte Ube3a1 die Kommunikation stört und das Wachstum damit ausbremst. Durch Ube3a1 entstehen mehr dendritische Dornen, die sich am Ende einer Synapse befinden und als "Endhaltestelle" keine neue Verbindung möglich machen. Entsprechend lassen sich Ube3a2 und Ube3a3 vor allen Dingen in jungen Nervenzellen finden, wenn das Hirn noch reifen soll.