Keine Vorerkrankung notwendig: Trauma und Drogen machen auch bislang gesunde Menschen gewalttätig
Studie widerlegt die Annahme, dass seelisch stabile Personen souveräner auf Trigger-Situationen reagieren
In der Psychologie geht man davon aus, dass Menschen mit seelischen Krankheiten durch sogenannte Trigger eher zu Gewalttaten neigen als die Normalbevölkerung. Dinge wie Unfälle, der Tod eines Nahestehenden und Drogenkonsum lösen schneller Gewalttaten bei ihnen aus.
"Gesunde" Menschen gelten als stabiler und sollen daher auf diese Situationen souveräner reagieren. Doch das stimmt nicht, wie eine aktuelle Studie zeigt.
Studie zur Gewaltbereitschaf
Insgesamt wurden
- 34.903 Schizophrenie-Patienten,
- 29.692 Menschen mit bipolarer Störung und
- 2.763.012 gesunde Kontrollpersonen
in die Studie aufgenommen. In jeder Teilgruppe wurde analysiert, wer einen Trigger wie Gewalt, Todesfälle oder Drogenkonsum erlebt hatte. Verglichen wurde dann die Gewaltbereitschaft kurz nach den jeweiligen Ereignissen mit der Gewaltbereitschaft in triggerfreien Zeiträumen.
- Wer Gewalt erlebte, wurde in der Woche nach dem Ereignis häufiger selbst gewalttätig: 177/10.000 der Schizophrenie-Gruppe, 83/10.000 mit bipolaren Störungen und 70/10.000 Personen der Kontrollgruppe.
- In der triggerfreien Zeit lag die Bereitschaft bei allen deutlich darunter: 22/10.000 Personen (Schizophrenie), 13/10.000 Personen (bipolaren Störungen) und 9/10.000 Personen (Kontrollgruppe).
Unterstützung nach Traumata gefordert
Der gedachte Unterschied zur Gewaltbereitschaft ist demnach bei seelisch Gesunden und seelisch Kranken kaum vorhanden. Auch die Dauer der Bereitschaft war ähnlich lang und nach sieben Tagen hatte der Wert sich bei allen dem Ausgangswert der triggerfreien Zeit wieder angenähert. Eine Ausnahme war nur der Verlust der Eltern. Er wirkte sich auf Schizophrenie-Patienten stärker als auf die anderen Teilnehmer aus. Die Gewaltbereitschaft stieg für circa eine Woche um das 5-Fache, bei den anderen nur um das 1,7-Fache.
Die Forscher folgern daraus, dass nach Traumata wie Todesfällen nicht nur Menschen mit psychischen Vorerkrankungen intensiv betreut werden sollten. Die Studie zeigt, dass jeder vorübergehend eine Therapie bekommen sollte, um Gewaltausbrüchen gegen sich und andere vorzubeugen.
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