Magersucht sieht man nicht jedem an: Auch Normgewicht kann Magersucht sein

Eine aktuelle Studie liefert Zahlen zur atypischen Anorexie, die unter Jugendlichen verbreiteter ist, als es scheint

Von Cornelia Scherpe
27. Juni 2016

Der Begriff Magersucht (in der Fachsprache Anorexie) wird immer mit Mädchen und Jungen verbunden, die viel zu dünn sind. Arme und Beine wirken wie Striche und die Rippen sind unter Shirts oder im Bad deutlich zu sehen. Was viele nicht bedenken: Auch ein "normaler" Körperbau kann auf Magersucht hindeuten, doch das kann von Fremden nahezu gar nicht beurteilt werden.

Nur Familienmitglieder, Freunde und Lehrer können misstrauisch werden. Eine Magersucht kann nämlich auch dann bestehen, wenn übergewichtige Teenager in Rekordzeit abnehmen. Der radikale Gewichtsverlust ist in diesem Fall genauso schädlich wie bei Magersüchtigen, die sich von einem Normgewicht auf Untergewicht hungern. In der Medizin spricht man daher auch von der atypischen Anorexie.

Krankheitsbild der atypischen Anorexie

Betroffene der atypischen Anorexie leiden an allen Symptomen, die auch Patienten mit "klassischer" Magersucht zeigen. Sie entwickeln eine Besessenheit für gutes Aussehen und haben dabei eine gestörte Selbstwahrnehmung. Es entsteht eine regelrechte Panik vor der Gewichtszunahme und im Alltag werden überdurchschnittlich viele Gedanken auf Kalorien gerichtet.

Eine aktuelle Studie liefert Zahlen zur atypischen Anorexie. Die Mediziner haben dafür 256 Mädchen und Jungen im Teenageralter (im Schnitt 16 Jahre) begleitet. Bei allen Bestand der Verdacht auf Magersucht und alle wurden daraufhin psychologisch betreut. Durch die Untersuchungen und Interviews mit den Kindern stellte sich heraus, dass

  • 46 Prozent tatsächlich an klassischer Anorexie litten und
  • 16 Prozent eine atypische Anorexie aufwiesen.

Diese 16 Prozent lagen zwar nicht auffallend unter dem Normgewicht ihres Alters, hatten aber binnen kurzer Zeit über zehn Prozent ihres vorherigen Körpergewichts verloren. 71 Prozent in dieser Gruppe waren zuvor adipös gewesen. In der Gegengruppe hatten nur zwölf Prozent diese Vorgeschichte.

Seelische Probleme

Auffallend war, dass die Kinder mit atypischer Anorexie häufiger zu weiteren psychischen Störungen neigten:

Klassische Magersucht hatte bei Depressionen ähnliche Werte, jedoch seltener Angst- und Zwangsstörungen (17 und fünf Prozent). Denkbar ist, dass das vorherige Übergewicht bei der atypischen Magersucht bereits zu seelischen Problemen geführt hatte.