Stigmatisierung nach einer Psychotherapie: Viele Kollegen und Chefs reagieren falsch

Von Cornelia Scherpe
17. Januar 2014

Studien unserer Tage zeigen immer wieder: 75 Prozent aller Deutschen bekommen mindestens einmal in ihrem Leben ernste seelische Probleme. Durch Dauerstress, Traumata und Vergleichbares werden immer mehr Menschen nicht nur vorübergehend arbeitsunfähig, sondern müssen sogar vorzeitig in den Ruhestand gehen.

Psychologen schätzen, dass sich diese Verhältnisse in den kommenden Jahren auch nicht entspannen, sondern sogar noch zuspitzen werden.

Tabu-Thema Psychotherapie

Bei dieser allgemeinen Situation sollte man davon ausgehen, dass sich niemand für ein seelisches Leiden und eine in Anspruch genommene Psychotherapie schämen muss, denn immerhin ist ja die Mehrheit davon betroffen. Im Alltag sieht das allerdings ganz anders aus. Es liegt ein Tabu über der gesamten Thematik und viele Menschen trauen sich nicht zu sagen, dass sie in einer Psychotherapie sind oder waren.

Gerade Arbeitnehmer fürchten sich bei der Rückkehr in den Job ganz extrem vor einer Stigmatisierung. Bei manchen ist die Angst vor den Reaktionen des Chefs und der Kollegen so groß, dass sie sich Lügen für die Abwesenheit einfallen lassen. Das ist freilich gerade gegenüber der Chefetage nicht möglich, da diese über den Grund des Ausfalls auch von der Krankenkasse informiert wird.

Taktlose Chefs

Doch viele Chefs und Kollegen reagieren auch völlig falsch, wenn die Wahrheit zur Sprache kommt. Da die meisten sich selbst unwohl mit dem Thema fühlen, wird entweder komplett geschwiegen, oder hohle Aufheiterungen benutzt. Für den Betroffenen verschlimmert beides die Situation.

Offener Umgang und Gespräche

Psychologen raten allen Arbeitgebern und Kollegen dazu, mit mehr Mut an das Thema heranzugehen. Offene und ernste Gespräche sind hilfreich und von vielen Patienten auch gewünscht. Arbeitgeber sollten außerdem über mögliche Maßnahmen zur Verbesserung des Arbeitsklimas nachdenken.

Auf keinen Fall aber sollte man einen Arbeitnehmer nach seiner Therapie aus falschem Mitleid einen Sonderurlaub anbieten. Das kann das Problem verschärfen, denn dieser fühlt sich dann ungebraucht und vielleicht sogar abgeschoben.