Testosteron macht Frauen nicht aggressiver, sondern ruhiger

Studie untersuchte den Zusammenhang zwischen Testosteronwert und Aggressionslevel bei Frauen

Von Cornelia Scherpe
23. Januar 2017

Allgemein wird die Ansicht vertreten, dass Testosteron ein Hormon der Aggression ist. Wer viel davon hat, tritt dominant auf und verteidigt Besitz und Standpunkt auch aggressiv. Doch rein wissenschaftlich gibt es für diese Behauptung noch keine Belege. Man geht schlicht davon aus, weil Männer einfach mehr Testosteron als Frauen haben und als das aggressivere Geschlecht gelten.

Studie untersuchte Aggressionslevel und Testosteronwert

Doch ganz so einfach ist es offenbar nicht, wie eine aktuelle Studie zeigt. Deutsche Forscher baten gesunde Frauen zum Experiment. Alle lagen in einem MR-Tomographen, um ihre Hirnaktivität während des Versuchs zu kontrollieren. Zudem wurde vor dem Test und unmittelbar danach die Testosteronmenge im Speichel gemessen.

Während die Frauen im MRT lagen, spielten sie einen Reaktionswettkampf gegen eine andere Frau. Diese hatten sie zuvor kurz kennengelernt. In einem Durchgang war die Gegnerin neutral aufgetreten, in einem zweiten Spiellauf war sie ärgerlich und provozierte auch während des Wettkampfs durch laute Geräusche. Auf diese Weise sollten Aggressionen bei den Probandinnen geweckt werden. Dies funktionierte auch, wie man zum einen am Verhalten und zum anderen an der Aktivität des Gehirns sah. In einer aggressiven Situation wurde das Amygdala-Hirnareal aktiver. Hier sitzt das Erleben und Verwalten von Emotionen.

Keine Erhöhung des Aggressionslevels durch Testosteron

Am Ende wurde das Aggressionslevel jeder Frau mit ihrem Testosteronwert verglichen. Das überraschende Ergebnis: Wer mehr Testosteron hatte, reagierte insgesamt ruhiger. Ein niedriger Testosteronwert war dagegen mit höherer Aggression verbunden.

Die Studie widerlegt damit das gängige Klischee. In der jüngsten Vergangenheit gab es bereits mehrere Untersuchungen, die ebenfalls nahe gelegt hatten, dass Testosteron zumindest bei Frauen offenbar eher pro-sozial wirkt. Viele werden hilfsbereiter und verständiger. Die Rolle der Hormone ist also deutlich komplexer als oft angenommen wird.