Umdenken in der Medizin: das Gehirn entscheidet nicht über die Händigkeit

Ob man Rechts- oder Linkshänder ist, wird im Rückenmark festgelegt

Von Cornelia Scherpe
1. März 2017

Zwar gelten rund 90 Prozent der Menschen als Rechtshänder; die Forschung zum Thema geht allerdings bereits seit längerer Zeit davon aus, dass die reale Verteilung 50:50 sein dürfte. Viele Linkshänder werden bewusst auf die rechte Hand umgeschult oder passen sich unbewusst den Rechtshändern durch Nachahmen an. Ob ein Mensch als Rechts- oder Linkshänder veranlagt ist, entscheidet sich aber bereits im Mutterleib und dürfte daher nach dem Zufallsprinzip recht gleichmäßig verteilt sein.

Nervengewebe im Rückenmark ist ausschlaggebend

Der bisherige Stand der Händigkeitsforschung ging davon aus, dass sich die Händigkeit mit der Gehirnentwicklung entscheidet. Doch nun ist ein Umdenken in der Medizin gefragt, denn neue Studienergebnisse sehen zwar weiterhin eine vorgeburtliche Entscheidung, doch das Gehirn spielt keine entscheidende Rolle. Die Festlegung findet im Rückenmark statt, denn dort ist das Nervengewebe bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt nicht symmetrisch, sondern entweder auf der linken oder rechten Seite dominant.

Deutsche Forscher sahen sich die Genaktivität bei Ungeborenen in der achten bis zwölften Woche an. Zu diesem Zeitpunkt ist das Gehirn noch nicht weit genug entwickelt, um eine rechte oder linke Dominanz der Hirnhälften zu zeigen.

Bestätigung durch Ultraschallbilder

Die bisherige Theorie geht davon aus, dass sich erst mit der Entwicklung der Großhirnrinde die Händigkeit entscheidet. Doch die Genaktivität bei den Ungeborenen war bereits in der achten Schwangerschaftswoche im Rückenmark entweder deutlich zur rechten oder linken Körperseite verschoben und dies somit lange bevor sich die Großhirnrinde motorisch mit dem Rückenmark vernetzt.

Passend dazu zeigen Ultraschallbilder, dass Ungeborene bereits in dieser Entwicklungsphase entweder bevorzugt am rechten oder am linken Daumen nuckeln. Das Rückenmark hat demnach die Händigkeit entschieden, bevor das Gehirn "mitreden" durfte. Dass später bei Rechtshändern die linke Hirnhälfte und bei Linkshändern die rechte Seite stärker vernetzt ist, wäre demnach nicht die Ursache der Händigkeit, sondern nur ihre Folge.