Virus, der eigentlich nur Algen befällt, tritt beim Menschen auf und beeinflusst das Gehirn

Infektion mit dem Algenvirus ATCV-1 verschlechtert kognitive Fähigkeiten

Von Cornelia Scherpe
7. November 2014

Seinen Namen kann man kaum aussprechen: "Acanthocystis turfacea chlorella virus 1". Daher nutzen Ärzte auch die Abkürzung "ATCV-1", um von einem Virus zu sprechen, der zum ersten Mal für die Humanmedizin interessant wird. Der Erreger war bisher nur bei Algen aufgetreten und noch nie bei einem Menschen oder irgendeinem anderen Säugetier.

Algenvirus bei Menschen gefunden

Die Überraschung der Forscher war groß, denn eigentlich gilt der Grundsatz, dass Viren sich auf eine bestimmte Sorte von Wirten spezialisieren. Der Mensch trägt viele Bakterien, Viren und Pilze in sich, die ihn zum eigenen Überleben nutzen. Sie haben genetische Übereinstimmungen mit ihrem Wirt und bleiben dieser und nahverwandten Arten daher treu.

Ebenso gibt es Erreger, die auf Algen spezialisiert sind und ATCV-1 gehört eigentlich dazu. Nun konnten Forscher jedoch bei 40 Menschen in einem Abstrich des Rachenraums feststellen, dass der Virus auch bei ihnen gesiedelt hatte. Vermutlich war er über infizierte Algen, die von den Menschen gegessen worden waren, in den Körper gelangt.

Infektion medizinisch relevant

Dieser Sprung von einer Pflanze auf den Menschen ist eine Sensation für die Wissenschaft. Die Infektion ist aber auch für die Medizinwelt relevant, denn offenbar geht die Ansteckung nicht spurlos an den Trägern vorbei.

Die Forscher führten Kognitionstests mit den Probanden durch. Die Ergebnisse der ATCV-1-Träger waren schlechter als die von 52 gesunden Kontrollpersonen. Auch ein Test zur Aufmerksamkeitsfähigkeit fiel den Infizierten schwerer.

Virus auch auf Tiere übertragbar

Als die Forscher in einem Tierexperiment Mäuse mit dem Algen-Virus infizierten, siedelten die Erreger auch bei diesen Säugetieren erfolgreich. Tests mit dem Mäusen, wo zum Beispiel ihre Neugier untersucht wurde, zeigte auch hier Abweichungen zwischen gesunden und infizierten Tieren.

Die Hirnregion Hippocampus war dabei anders aktiv und diverse Gene plötzlich verändert. Allerdings ließen sich keine Viren im Gehirn nachweisen, weshalb die Forscher nicht sagen können, wie der Erreger das Gehirn verändern kann.