Vokabelbuch unseres Epigenoms - Forscher kartieren "zweiten Code" des Lebens

Wie sich unsere Zellen entwickeln, lässt sich nun für 111 Zell- und Gewebetypen genau im Internet nachlesen

Von Dörte Rösler
20. Februar 2015

Ein internationales Forscherteam hat das Epigenom des Menschen kartiert. Für 11 verschiedene Zelltypen und Gewebearten liegt nun ein umfassender Stammbaum vor - öffentlich zugänglich über das Internet.

Die genetische Bestandsaufnahme zeigt nicht nur, wie individuelle Merkmale von Vater und Mutter vererbt werden, Mediziner erwarten auch große Fortschritte in der Behandlung von Krankheiten wie Krebs.

Was ist das Epigenom?

In jeder unserer Zellen sitzt das gleiche Erbgut. Damit daraus unterschiedlich Zelltypen und Gewebearten entstehen, liest der Körper die identische DNA lediglich verschieden aus. Um die Genbuchstaben für jede Zelle zu einem sinnvollen Satz zusammenzufügen, nutzt der Organismus

  • anhaftende Molekülgruppen (Methylierung),
  • Hüllproteine oder
  • eine jeweils spezifische Faltung der DNA.

Erst aus dem Zusammenspiel dieser epigenetischen Modifikationen entsteht die Vielfalt menschlicher Körper. Forscher nennen es deshalb auch den "zweiten Code" des Lebens.

Wie die Zellen sich entwickeln, lässt sich nun für 111 Zell- und Gewebetypen genau nachlesen. Wie in einem Vokabelbuch haben Wissenschaftler das Epigenom kartiert - mit teilweise überraschenden Erkenntnissen.

Die neuen Referenzkarten

So zeigt sich, dass blutbildende Stammzellen im Knochenmark den embryonalen Stammzellen ähneln. Mit reifen Blutzellen gibt es dagegen nur geringe Parallelen. Die Epithelzellen in der weiblichen Brust unterscheiden sich wiederum stark vom umliegenden Brustgewebe. Dafür zeigen sich epigenetische Ähnlichkeiten zu Hautzellen.

Die neuen Referenzkarten liefern außerdem wertvolle Erkenntnisse zur Entstehung von Krebs. Aus der DNA-Hülle der Tumorzellen lässt sich etwa ablesen, aus welchem Gewebe der Krebs sich ursprünglich entwickelt hat. Neben der Entstehung von Krankheiten können die Forscher zudem die Vererbung von genetischen Eigenschaften besser begreifen.