Wie Zwangsstörungen im Gehirn entstehen

Wissenschaftler gingen mit einem Experiment an Mäusen der Entstehung von Zwangshandlungen auf die Spur

Von Cornelia Scherpe
5. April 2017

Es gibt Menschen, die müssen zwanghaft an Dinge denken oder zwanghaft Handlungen ausführen. Die Zwangsstörungen gehören zu den seelischen Erkrankungen und können sehr unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Bei manchen ist es das vergleichsweise harmlose Kontrollieren der Fenster vor dem Schlafengehen, andere müssen sich ständig die Hände waschen. Bedenklich wird es beispielsweise, wenn der Waschzwang so weit geht, dass bereits die Haut vom vielen Waschen wund ist und die Betroffenen trotz Schmerzen ständig weiter schrubben.

Wie Zwangsstörungen im Gehirn entstehen, war lange Zeit unklar. Nun hat eine deutsche Studie den Ursprung erforscht. Demnach sitzt bei den Patienten das Problem in der Amygdala.

Die Studie

Herausgefunden hat man dies im Experiment mit Mäusen. Bei den gesunden Tieren wurde das Eiweiß SPRED2 komplett aus dem Gehirn entfernt. Die Folge war, dass die Mäuse starke Zwänge entwickelten. Wie genau funktioniert das?

Das Eiweiß SPRED2 kommt im menschlichen Körper in jeder Zelle vor. Die höchste Konzentration gibt es allerdings im Gehirn und dort vor allem in der Amygdala und den Basalganglien. Das Protein hat eine hemmende Funktion. Ist es in ausreichender Menge vorhanden, verlangsamt es die Signalübertragung auf der sogenannten Ras/ERK-MAP-Kinase-Kaskade. Es hat für bestimmte Informationen also eine Art Ampel-Funktion. Ist wenig oder gar kein SPRED2 vorhanden, ist die Ampel beständig auf Grün und die Informationen rasen ungebremst entlang. Das führt zu einer ungesunden Aktivität und löste bei den Versuchstieren starke Zwangshandlungen aus. Wurde bei den auffälligen Mäusen durch einen Hemmstoff die Signalübertragung verlangsamt, ließen zeitnah auch die Zwangshandlungen nach.

Medikamentöse Behandlung von Zwangsstörungen

Für Menschen mit starken Zwängen besteht daher theoretisch die Möglichkeit, durch Hemmstoffe ebenfalls weniger Zwangsmomente zu erleben. Es gibt bereits eine Reihe von Antidepressiva, die bei Zwangsstörungen eingesetzt werden, doch oft verfehlen sie die erhoffte Wirkung.

Es existieren allerdings auch Medikamente, die genau an der Ras/ERK-MAP-Kinase-Signalkaskade ansetzen. Sie werden Krebspatienten verschrieben, denn oft ist die Signalkaskade bei ihnen zu aktiv und die künstliche Blockade soll den Verlauf abmildern. Ob die Mittel wirklich gegen Zwangsstörungen helfen und ob der Preis der Nebenwirkungen zu hoch ist, muss aber noch erforscht werden.