Wunderwerk Gehirn: die Synapsen für das Lesen sind schon im Vorschulalter da

Studie deckt auf, dass sich Verbindungen für höhere Fähigkeiten nicht erst ausbilden, wenn sie benötigt werden

Von Cornelia Scherpe
29. August 2016

Das menschliche Gehirn gilt nach wie vor als Wunderwerk, dessen Funktionen noch lange nicht komplett entschlüsselt sind. Nun überraschen Forscher mit der Beobachtung, dass die Fähigkeit zum Lesen offenbar deutlich früher als gedacht vorhanden ist. Im Vorschulalter reagieren die Gehirne auch ohne Lesefähigkeit auf die Buchstaben.

MRT-Bilder geben Aufschluss

Die Wissenschaftler arbeiteten mit Kindern, die fünf Jahre alt waren und noch nicht Lesen oder Schreiben konnten. Man ließ sie verschiedene Wörter ansehen und analysierte dabei die Hirnaktivität. Dieser Test wurde drei Jahre später wiederholt. Nun waren die Kinder acht Jahre alt und hatten diese Wörter bereits in der Grundschule gelernt.

Die Hirnuntersuchungen mittels MRT zeigten, dass dieselben Hirnverbindungen wie bei der ersten Untersuchung aktiv wurden. Das visuelle Erkennen war mit dem sogenannten Sprachkortex verbunden. Das bedeutet, dass die bildlichen Eindrücke in das Areal geleitet werden, wo Wörter erkannt und Sprache verarbeitet wird. Die notwendigen Synapsen für das Lesen sind demnach vorhanden, bevor das Lesen selbst gelernt wird.

Biologische Anlage für das Lesen vorhanden

Das ist eine Sensation, denn eigentlich geht man in der Hirnforschung davon aus, dass sich die Verbindungen für höhere Fähigkeiten erst ausbilden, wenn sie benötigt werden. Hinzu kommt, dass Lesen als Fähigkeit an sich eine sehr junge Errungenschaft der Menschheit ist.

Laut geschichtlichen Forschungen ist anzunehmen, dass sie erst vor 5.000 bis 6.000 Jahren entwickelt wurde. Demnach hatte das Gehirn keine Zeit, die biologische Anlage für das Lesen allen Menschen von Geburt an mitzugeben. Dennoch zeigt die Studie genau das.