Die Rolle der Blut-Hirn-Schranke bei multipler Sklerose: Forscher lösen ein bisheriges Rätsel
Forscher haben einen bisherigen Widerspruch bezüglich der Immunzellen Integrin gelöst
Multiple Sklerose gibt den Ärzten weltweit noch immer Rätsel auf. Der bislang größte Widerspruch drehte sich rund um die Blut-Hirn-Schranke. Ein Team aus Wissenschaftlern konnte diesen jedoch lösen und bringt die MS-Forschung damit ein großes Stück weiter.
Endothelzellen bestimmen das Durchlassen von Immunzellen
Die Blut-Hirn-Schranke besteht zum Großteil aus den sogenannten Endothelzellen. Diese besitzen an ihrer Oberfläche Moleküle und können mit deren Hilfe steuern, wann und in welchen Mengen Immunzellen aus dem Blut in das Gehirn durchgelassen werden. Sie sind also eine Art "Türsteher".
Besonders wichtig ist dabei das Molekül "VCAM-1". Es dient als Andockstelle für die Immunzellen "Integrin". Bei MS-Patienten führt ein akuter Schub dazu, dass viele Immunzellen vom Blut ins Gehirn gelangen und es so zur Schädigung von Nervenzellen kommt.
Gegensätzliche Effekte
Um das zu verhindern, hat man Medikamente entwickelt, die dafür sorgen sollen, dass weniger Integrin den Sprung ins Gehirn schafft. Der Wirkstoff Natalizumab blockiert das Integrin und lindert so die Schübe.
VCAM-1 kann sich von der Zelloberfläche lösen und ist dann in Blut nachweisbar. Dabei zeigten Studien, dass viel VCAM-1 zu schweren Entzündungen direkt an der Blut-Hirn-Schranke führt. Der bisherige Widerspruch bestand darin, dass Studien mit Natalizumab einen gegensätzliche Effekte beobachtet ließen. Je mehr VCAM-1 vorhanden war, desto geringer die Entzündungen.
Endothelzellen verfügen selbst über Integrin
Wie dieser Gegensatz zustande kommt, haben Forscher jetzt aufgedeckt. Der ursprüngliche Fehler lag in der Annahme, dass nur Immunzellen im Blut über Integrin verfügen. Tatsache ist, dass auch die Endothelzellen der Blut-Hirn-Schranke selbst über Integrin verfügen.
Bei einer Entzündung führt dies dazu, dass die Endothelzellen sehr viel Integrin selbst herstellen. Viel VCAM-1 im Blut zeigt daher an, dass die Endothelzellen überaktiv sind und durch die Integrin-Bildung ihrer Barrierefunktion quasi ins Gegenteil verkehren. Die Behandlung mit Natalizumab verhindert dagegen, dass die Zellen ihre Türsteher-Funktion verlieren und viel VCAM-1 steht hier für einen gute Schutz vor Integrin.