Helfersyndrom - zu viel Hilfsbereitschaft kann schaden

Betroffene können ihr Engagement selbst dann nicht reduzieren, wenn sie sich überfordert und ausgenutzt fühlen

Von Dörte Rösler
11. August 2015

Ob Altenheime, Entwicklungshilfe, Unterstützung für Obdachlose oder Flüchtlinge - eine Gesellschaft braucht Menschen, die selbstlos helfen. Doch mancher Helfer überfordert sich durch sein Engagement. Und nicht jede Form der Unterstützung bewirkt Gutes. Wir geben Tipps, wie Sie der Aufoperungsfalle entkommen und besser mit den eigenen Ressourcen umgehen.

Hilfsbereitschaft kontra Egoismus

Der Impuls zu helfen, ist angeboren. Sonst könnten Neugeborene, Kranke und Gebrechliche nicht überleben. Wer andere Menschen unterstützt, muss dafür eigene Wünsche und Interessen zurückstellen. Wenn die persönlichen Bedürfnisse dauerhaft zu kurz kommen, kippt jedoch die Balance zwischen Hilfsbereitschaft und gesundem Egoismus.

Die Betroffenen entwickeln ein Helfersyndrom: sie können ihr Engagement selbst dann nicht reduzieren, wenn sie sich überfordert und ausgenutzt fühlen. Um andere zu unterstützen, vernachlässigen sie

Hilfe kann dem Empfänger schaden

Im schlimmsten Fall ist das Engagement auch für diejenigen schädlich, denen es eigentlich helfen soll. Die Empfänger verlernen die Eigeninitiative und begeben sich zunehmend in eine Abhängigkeit vom Helfer. Auf der emotionalen Seite empfinden sie oftmals weniger Dankbarkeit als Schuldgefühle und ein schlechtes Gewissen.

Wer ist vom Helfersyndrom gefährdet?

Menschen mit Helfersyndrom finden sich besonders häufig in Pflegeberufen, in der Suchttherapie und wohltätigen Einrichtungen. Laut einer Untersuchung aus dem Jahr 2011 fühlt sich jeder dritte Krankenpflege chronisch überlastet, bis zu zehn Prozent der niedergelassenen Ärzte entwickelt einen Burnout. 80 Prozent geben an, zumindest teilweise an einer Erschöpfungskrankheit zu leiden.

Persönlichkeit mach anfällig

Studienergebnisse zeigen allerdings, dass nicht der Beruf anfällig für das Helfersyndrom macht. Vielmehr neigen Menschen mit einer bestimmten Persönlichkeitsstruktur zu helfenden Berufen. So macht eine depressive Wesensart anfälliger für das Helfersyndrom. Auch emotional instabile Menschen sind gefährdet, da sie sich durch ihr selbstloses Engagement anerkannt und wertvoll fühlen können.

Manche Betroffene sind gegenüber gleichwertigen Partnern auch in ihren Aggressionen gehemmt und genießen die Möglichkeit, indirekt Macht ausüben zu können. Wer unablässig mit den Problemen anderer beschäftigt ist, schützt sich zudem vor der Auseinandersetzung mit eigenen Problemen.

Wege aus der Helfer-Falle

Die Helferrolle ist attraktiv, sie verschafft dem Helfenden viel Anerkennung und ein positives Selbstbild. Wer sich chronisch verausgabt, muss deshalb nicht nur lernen, besser mit den eigenen Ressourcen umzugehen - er muss auch seine Motive und Emotionen ehrlich prüfen. Braucht der andere meine Hilfe wirklich? Warum fühle ich mich unter Druck gesetzt? Welche Vorteile ziehe ich persönlich aus dem Engagement?

Um genügend Energie für das eigene Wohlbefinden zu haben, müssen die Betroffenen ihre eigenen Bedürfnisse achtsamer wahrnehmen. Im nächsten Schritt müssen sie lernen, sich von anderen abzugrenzen und öfter mal Nein zu sagen. Dazu gehört es auch, die aufkommenden Schuldgefühle und die Angst zu ertragen, weniger Liebe oder Anerkennung zu bekommen.

Wer das nicht alleine schafft, kann etwas Ungewöhnliches tun: Hilfe von anderen holen. Bei ausgeprägtem Leidensdruck kann eine Psychotherapie helfen.