Längerer Schmerz aktiviert emotionale Hirnbereiche

Die Erwartung bestimmter Schmerzreize und ihre Dauer nehmen Einfluss auf die Empfindung

Von Dörte Rösler
16. März 2015

Schmerz ist ein höchst individuelles Geschehen. Kurze Stiche oder Hitze verarbeitet unser Gehirn im sensorischen Bereich, der für Wahrnehmungsprozesse zuständig ist.

Hält die Pein länger an, verschiebt sich die Aktivität in emotionale Hirnbereiche. Auch die Erwartung bestimmter Schmerzreize verändert deren subjektive Empfindung.

Dass chronische Schmerzen psychisch mürbe machen können, wissen viele Menschen aus eigener Erfahrung. Forscher konnten nun nachweisen, was bei diesem Prozess im Gehirn passiert.

Für ihre Studie setzten sie den Teilnehmern eine Kappe mit Elektroden auf den Kopf, die die Aktivität der Nervenzellen im Hirn maßen. 10 Minuten lang setzten sie die Probanden Hitzereizen auf dem Handrücken aus, deren Stärke die Betroffenen auf einer Skala von 1 bis 100 bewerten sollten.

Schmerz wird zur Emotion

Die Ergebnisse verblüffen: nach einigen Minuten empfanden die Teilnehmer den Schmerz intensiver - obwohl die Hitze gleich geblieben war. Im EEG zeigte sich zudem eine veränderte Zellaktivität.

Während der Hitzereiz am Anfang nur in den Bereichen für Wahrnehmungsprozesse verarbeitet wurde, steigerte sich nach wenigen Minuten die Aktivität in den emotionalen Bereichen dazu. Das Schmerzempfinden löste sich vom objektiven Reiz.

Erwartung beeinflusst Schmerzempfinden

Dass wir Schmerzen weitgehend unabhängig von objektiven Reizen empfinden, zeigt ein zweiter Versuch. Dazu fügten die Forscher den Teilnehmern mit einem Laser Schmerzen auf der Haut zu und baten sie wieder, die Schmerzintensität zu beurteilen. Im einem zweiten Durchlauf trugen sie auf die Haut zwei unterschiedliche Cremes auf, von denen eine angeblich schmerzlindernd wirkt.

Tatsächlich waren die Cremes identisch - aber die Probanden empfanden auf den Hautarealen mit angeblich schützender Creme deutlich weniger Schmerzen. Auch im Gehirn ließ sich der Placebo-Effekt nachweisen: wer sich durch die Creme geschützt glaubte, verarbeitete den Schmerz mit anderen neuronalen Prozessen.