Mehr Kriminalität nach Kopfverletzung: Schädel-Hirn-Trauma verändert den moralischen Kompass

Ehemalige Patienten eines Schädel-Hirn-Traumas gehen überdurchschnittlich oft in Haft

Von Cornelia Scherpe
20. Dezember 2016

Bei einem Schädel-Hirn-Trauma wird durch Gewalteinwirkung nicht nur der Schädel als Knochenkonstrukt, sondern auch das darin liegende Gehirn verletzt. Verkehrsunfälle, Verletzungen beim Sport und allgemein schwere Stürze können so ein Schädel-Hirn-Trauma auslösen. Umgangssprachlich spricht man in all diesen Fällen von einer Gehirnerschütterung, wenn das Hirn ein Beschleunigungstrauma erfährt. Eine aktuelle Studie hat nun ergeben, dass diese Verletzungen der Hirnmasse einen bislang zu wenig beachteten Langzeiteffekt haben können: der Charakter verändert sich.

Unbeachtet war das Phänomen bisher, da die Veränderung relativ subtil ist. Ein Patient ändert nicht von heute auf morgen seinen grundlegenden Charakter, doch der innere moralische Kompass verschiebt sich offenbar. Zu diesem Schluss kommt die Auswertung von 77.519 Patientendaten.

Studie mit Patienten eines Schädel-Hirn-Traumas

Die Männer und Frauen aus Ontario hatten alle die Gesundheits­versorgung ihrer Region genutzt und ihre Diagnosen eines Schädel-Hirn-Traumas waren im Zentralregister erfasst worden. Im Beobachtungszeitraum von 14 Jahren hatten 402 dieser Patienten eine Haftstrafe antreten müssen. Das entspricht zwar nur einer Quote von 0,5 Prozent, doch das ist hoch im Vergleich zur Normalbevölkerung. Betrachtete man eine Kontrollgruppe von mehr als einer Million Menschen im gleichen Alter, lag die Kriminalitätsrate bei nur 0,2 Prozent. Demnach wächst nach einem Schädel-Hirn-Trauma der Hang zu einer kriminellen Tat um den Faktor 3,26.

Veränderung bei Frauen häufiger als bei Männern

Interessant war, dass die Forscher einen leichten Unterschied zwischen Männern und Frauen feststellen konnten: Bei Patientinnen wuchs nach der Gehirnerschütterung der Hang zur Kriminalität etwas stärker als bei Männern. Woran das liegt, kann die Studie allein aus ihren Beobachtungen heraus nicht sagen.