Mitgefühl kann aggressiv machen

Von Katharina Cichosch
6. Oktober 2014

Eine ungewöhnliche Entdeckung machten jetzt Wissenschaftler der New York State University in Buffalo, USA. Wie das Forscherteam um Anneke Buffone herausfand, besteht offenbar ein Zusammenhang zwischen aggressivem Verhalten und Mitgefühl. Genauer: Im Einsatz für benachteiligte Menschen - oder jene, die wir als solche einschätzen -, können wir durchaus aggressiv werden.

Studiendesign

Für die Studie wurden verschiedene Szenarien vorgegeben, in denen die Teilnehmer entscheiden sollten, wie sie sich verhalten würden. Dabei ging es unter anderem darum, einem Menschen mit finanziellen Problemen zu helfen, indem man anderen indirekt Schmerzen zufügte - durch das Verabreichen "scharfer Soße", die extrem scharf sein soll und die Konzentration beeinträchtigen könnte.

Hierdurch sollten die anderen Kontrahenten in einem Test "ausgeschaltet" werden, so dass der finanziell benachteiligte Kandidat gewinnen könnte - und somit seine Geldsorgen los wäre. Ein weiteres Szenario war näher dran an der tatsächlichen Realität: Hierbei sollten die Studienteilnehmer einschätzen, wie sie reagieren würden bzw. reagiert hatten, wenn ein ihnen nahestehender Mensch verbal oder körperlich attackiert wird.

Empathische Menschen haben höheres Aggressionspotential

Die Ergebnisse fielen eindeutig aus: Jene Menschen, die sich dem Fragebogen nach als besonders mitfühlend zeigten, hatten ein ungleich höheres Aggressionspotential. So verteidigten sie ihre Mitmenschen stärker und aggressiver, wenn diese angegriffen wurden, und würden dem Gegenkandidaten des finanziell schwachen Menschen mehr scharfe Soße verabreichen und somit indirekt Schmerzen zufügen.

Ausprägung des Mitgefühls ist abhängig vom Gegenüber

Eine weitere Erkenntnis: Wie mitfühlend wir sind, hängt stark vom "Zustand" des Gegenübers ab. Wer als besonders schwach, ängstlich oder besorgt, ergo als besonders hilfsbedürftig gilt, der weckt offenbar besonders starke Empathie - und somit gleichzeitig mehr Aggressionspotential zur Verteidigung. Dabei betonten die Wissenschaftler, dass die Erkenntnisse nicht nur auf von Natur aus aggressionsbereitere Menschen zuträfen, sondern grundsätzlich jeder Mensch, wenn er mitfühlt, offenbar aggressiver werden könne.