Repressive Erziehung schafft volle Gefängnis - neue kriminologische Studien

Während in Europa das Züchtigungsrecht weitgehend abgeschafft ist, setzt die USA weiterhin auf autoritäre Erziehung

Von Dörte Rösler
13. August 2015

Ein repressiver Erziehungsstil fördert Gewalt und stärkt das gesellschaftliche Strafbedürfnis. Kriminologen kritisieren deshalb das elterliche Züchtigungsrecht in den USA. In 19 Bundesländern dürfen sogar Lehrer ihre Schüler schlagen.

Gemessen an der Bevölkerungszahl haben die Vereinigten Staaten neunmal so viele Strafgefangene wie Deutschland. Dabei ist die Zahl der registrierten Straftaten in den vergangenen 15 Jahren um 45 Prozent gesunken.

Strafe als soziales Leitmotiv

Dass Kinder, die Gewalt erfahren mussten, später öfter zu Waffen greifen, ist durch zahlreiche Studien belegt. Viele Experten machen deshalb etwa die repressive Erziehung für die steigende Zahl an Amok-Läufen in den USA verantwortlich. Nur 15 Prozent der Familien verzichten dort auf körperliche Züchtigung.

Neue Untersuchungen sollen nun prüfen, wie die autoritäre Kindererziehung mit dem starken Strafbedürfnis der amerikanischen Gesellschaft zusammenhängt. Fast 25 Prozent der weltweit registrierten Häftlinge lebt in einem US-amerikanischen Gefängnis.

Weniger Straftaten, mehr Gefangene

Bereits der General Social Survey (GSS) zeigt, dass die Amerikaner trotz steigender Gefangenenzahlen die Strafgerichte als zu milde einstufen. In den 90er Jahren beurteilten 89 Prozent der Befragten die Gerichte als "nicht hart genug".

Im vergangenen Jahr waren noch 63 Prozent dieser Ansicht, obwohl die Gefängnisse aus allen Nähten platzten. 70 Prozent stimmten zu, dass man Kinder manchmal mit "ein paar guten harten Schlägen" disziplinieren müsse. Alarmierend: die Akzeptanz für Schläge war bei 18-29 Jährigen mit 75 Prozent am höchsten.

In Europa ist das elterliche Züchtigungsrecht in fast allen Ländern abgeschafft. Der erste Staat, der Eltern das Schlagen verbot, war 1979 Schweden. Der Anteil der Kinder, die dort gewaltfrei erzogen werden, ist seitdem auf 86 Prozent gestiegen.

In Deutschland zeigen zwei repräsentative Befragungen aus den Jahren 1992 und 2011 einen ähnlichen Trend: der Anteil der völlig gewaltfrei erzogenen Kinder stieg von 26 auf 52 Prozent. Je älter die Kinder werden, desto seltener greifen die Eltern zur Gewalt.

Woher kommt der Wunsch nach Strafe?

Aus Sicht von Psychologen vermittelt eine repressive Erziehung zwei wesentliche Botschaften: der Stärkere darf sich mit Gewalt durchsetzen und Strafe muss sein. Regelmäßige Schläge oder andere Züchtigungen fördern zudem eine misstrauische und ängstliche Persönlichkeitsstruktur. Wer anderen misstraut oder sich vor ihren Handlungen fürchtet, entwickelt wiederum den Wunsch nach harten Strafen - auch zur Abschreckung.

Vor diesem Hintergrund erklären sich Forscher auch die Zunahme von Rassismus in Gesellschaften mit repressivem Erziehungsstil. Fremde Menschen werden als Bedrohung empfunden.

Familien, in denen Regeln und Konflikte durch konstruktive Kommunikation geklärt werden, fördern dagegen Eigenschaften wie Toleranz und Vertrauen. Das lässt sich auch im größeren Rahmen belegen: Wo das elterliche Züchtigungsrecht abgeschafft wurde, bevorzugen die Menschen einen maßvollen Strafvollzug und messen der Resozialisierung von Straftätern größere Bedeutung bei.