Schlechter Schlaf und mehr Unfälle - was ist dran an den Vollmond-Mythen?

Wie bei einer selbst erfüllenden Prophezeiung steigt in Vollmondphasen die Empfänglichkeit für Trugschlüsse

Von Dörte Rösler
9. Juli 2015

Der Mond hat gewichtigen Einfluss auf unser Leben: seine Anziehungskraft sorgt auf der Erde für Ebbe und Flut. Aber steuert er auch den Termin von Geburten, das Gedeihen von Pflanzen und die menschliche Schlafqualität? Passieren bei Vollmond mehr Unfälle, und sind Operationen riskanter? Doch lassen sich diese Mythen wissenschaftlich bestätigen?

Schlaflos bei Vollmond?

Schlafen Sie auch schlechter, wenn der Mond wie eine silberne Scheibe am Himmel hängt? Es gibt viele Menschen, die meinen, dass sie wegen des Vollmonds schwer einschlafen oder immer wieder aufwachen. Nach Ansicht von Wissenschaftlern ist allerdings nicht das Himmelsgestirn schuld an den Schlafstörungen. Vielmehr bringen wir uns durch unsere eigenen Erwartungen um den Schlaf.

Wie bei einer selbst erfüllenden Prophezeiung steigt in Vollmondphasen die innere Anspannung - und damit die Wahrscheinlichkeit eines unruhigen Schlafs. Außerdem kommt ein weiterer psychologischer Effekt zum Tragen: Wenn wir nach einer schlaflosen Nacht erfahren, dass Vollmond war, greifen wir diese Erklärung willig auf.

Das erspart uns die unangenehme Aufgabe zu erforschen, welche Umstände in unserem eigenen Lebens uns eventuell die Ruhe rauben. Dass wir auch an anderen Tagen innerhalb der Mondphase schlecht geschlafen haben, wird vom Gehirn einfach ausgeblendet. Selektive Wahrnehmung nennen Psychologen dieses Phänomen, das auch andere Mond-Mythen begüstigt.

Auch Schlafwandeln lässt sich nicht durch den Mond erklären. Hätten Schlafwandler tatsächlich die Neigung, auf Lichtquellen zuzugehen, wäre jede Zimmerlampe attraktiver. Das Mondlicht ist mit 0,2 Lux relativ dunkel.

Mehr Unfälle und Geburten?

Viele Hebammen behaupten, in Vollmondnächten würden mehr Babys zur Welt kommen. In der Geburtenstatistik lässt sich das nicht belegen. Auch hier wirkt offenbar die selektive Wahrnehmung: weil der Vollmond bei nächtlichen Geburten stärker ins Auge fällt, erstellt unser Gehirn daraus ein irriges Gesamtbild.

Ähnlich verhält es sich mit Unfällen und Risiken im Operationssaal. Wer chirurgische Operationen nach dem Mondkalender plant, folgt einem Aberglauben. Auch vermehrte Unfälle im Verkehr oder Haushalt lassen sich bei Vollmond nicht belegen.

Was steckt hinter den Mythen?

Wissenschaftlich nachweisen lassen sich die Vollmond-Mythen also nicht. Dennoch bestätigen Forscher einen positiven Nutzen des Trugbilds: wer glaubt, dass seine Schlafprobleme oder Depression am Vollmond liegen, kann entspannt warten, bis sie wieder vorbeigehen. Der Mythos liefert eine zugleich einfache und mächtige Erklärung, die wie ein Placebo wirkt.