Wie das Gehirn das Auge austrickst: Scharfes Sehen wird nur vorgegaukelt

Scharfe Bilder naher Gegenstände sind eigentlich nur Erinnerungen

Von Nicole Freialdenhoven
20. Oktober 2014

Die meisten Menschen sind überzeugt davon, den größten Teil ihrer Umgebung scharf zu sehen. Dabei kann das Auge tatsächlich nur auf eine Distanz scharf sehen, die in etwa dem Daumennagel am am ausgestreckten Arm entspricht. Was darüber hinausgeht, wird eigentlich nur unscharf gesehen.

Dass der Mensch trotzdem meint, scharf zu sehen, ist dem Gehirn zu verdanken: Das Nervensystem trickst das Auge geschickt aus und greift auf frühere Seherfahrungen zurück. Zu dieser Erkenntnis kamen Forscher der Universität Bielefeld, die entsprechende Experimente mit freiwilligen Studienteilnehmern durchführten.

Wie funktioniert das scharfe Sehen naher Objekte?

Die Probanden sollten sich Bilder ansehen, die sie nach und nach scharf erfassen konnten. Dabei wurden jedoch unbemerkt von ihnen immer wieder kleine Details an den Bildern verändert. Anschließend sollten die Teilnehmer die Objekte außerhalb des Fokus genauer beschreiben. Die Forscher stellten so fest, dass das Nervensystem nur wenige Minuten benötigte um unscharfe und scharfe Seheindrücke miteinander zu verknüpfen.

Dazu greift das Gehirn auf zahllose gespeicherte Bilder im Kopf zurück und ersetzt den unscharfen Seheindruck durch ein bereits scharfes gespeichtertes Bild, bevor die Augen überhaupt auf jenen Punkt fallen. Dadurch nimmt der Mensch Dinge scharf wahr, obwohl diese tatsächlich noch gar nicht in den Fokus gerückt sind: Die Augen sehen gewissermaßen die nahe Zukunft.