Akteneinsicht im Internet - mehr Transparenz für psychisch Kranke
Der Weg zum mündigen Patienten ist lang. Vor allem bei psychischen Erkrankungen wissen die Betroffenen oft nicht, wie ihre exakte Diagnose lautet, welche Medikamente sie bekommen oder was der Arzt über sie notiert hat. Eine Klinik in Boston will Patienten jetzt online Zugang zu den Aufzeichnungen ihres Therapeuten gewähren.
Akteneinsicht für psychisch erkrankte Patienten
Eine wesentliche Säule für die therapeutische Beziehung ist Vertrauen - in den Therapeuten, seine unvoreingenommene Haltung und Verschwiegenheit. Das heißt allerdings nicht, dass der Patient passiv bleiben muss. Hierzulande dürfen Patienten jederzeit Einsicht in ihre Akten beantragen. Verweigern darf der Arzt dieses Recht nur in begründeten Ausnahmefällen.
Denn nicht jeder Patient profitiert von Transparenz. Bei Personen mit Wahnvorstellungen oder querulatorischen Persönlichkeiten kann die Lektüre die Krankheit sogar verstärken, denn statt auf Augenhöhe mit ihrem Therapeuten an der Bewältigung ihrer Probleme zu arbeiten, binden sie ihn in ihre Symptome ein.
Psychisch Kranke profitieren in vielen Fällen von der Akteneinsicht
In vielen Fällen können psychisch Kranke durch Einblick in ärztliche Dokumente jedoch besser beurteilen, was mit ihnen passiert und in der Folge selbstbestimmter an der Genesung mitwirken.
Fortschrittliche Therapeuten haben das längst erkannt und betrachten ihre Notizen als Teil der Behandlung, denn sie wählen Formulierungen, die auch Laien verstehen können und reden mit den Patienten regelmäßig über das, was sie während der Therapiestunden aufgeschrieben haben.
Im Bostoner Beth Israel Klinikum nehmen bereits mehr als 350 Patienten am Transparenz-Projekt teil. Über einen Online-Zugang können sie regelmäßig nachlesen, was ihr Therapeut notiert hat. Das macht die Patienten zu aktiven Partnern, die mehr Kontrolle über ihre Behandlung bekommen. Und die Therapeuten müssen lernen, ihre professionellen Gedanken verständlich offenzulegen.
Als wichtigster Baustein für eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Patient und Therapeut gilt allerdings weiterhin das persönliche Gespräch.