Eine Krankheit, die es womöglich gar nicht gibt: Phänomen Histamin-Intoleranz

Mediziner warnen vor voreiligen Schlüssen und Google-Diagnosen und raten zur Selbstbeobachtung

Von Nicole Freialdenhoven
20. März 2015

Nach Laktoseintoleranz und Glutenunverträglichkeit haben Lebensmittelphobiker nun ein neues Spielfeld entdeckt: Die angebliche Histamin-Intoleranz. Mediziner und Allergologen beobachten in letzter Zeit einen starken Anstieg dieser Modekrankheit, deren Diagnose meistens bei Doktor Google im Internet gefunden wurde. So sind

scheinbar alle das Resultat einer Histamin-Intoleranz.

Histamin-Unverträglichkeit

Histamin ist ein Botenstoff, der vor allem in Nahrungsmitteln enthalten ist, die mit Bakterien oder Hefe hergestellt werden. Dazu gehören u.a.

In den 80er Jahren kam erstmals der Verdacht auf, dass nicht alle Menschen Histamin gut vertragen. Fehlen im Darm bestimmte Enzyme wie Diaminoxidase, die Histamin abbauen, kommt es zu entsprechenden Unverträglichkeitsreaktionen. Propagiert wurde die "Histamin-Unverträglichkeit" von Reinhart Jarisch, der bis 2010 das Florisdorfer Allergiezentrum in Wien leitete.

Kein Nachweis für Zusammenhang

Viele andere Mediziner halten dies jedoch für Humbug. So stellte die Leiterin des Allergie Centrums der Berliner Charité fest, dass es bislang keinerlei Nachweise dafür gebe, dass ein Mangel an Diaminoxidase die entsprechenden Symptome auslöse.

Der Chef-Allergologe der TU München weist derweil darauf hin, dass es mindestens vier verschiedene Stoffwechselwege gebe, über die Histamin im Körper abgebaut würde. Wer dennoch fest von seiner Histamin-Intoleranz überzeugt ist, sollte zwei Wochen lang auf alle histaminhaltigen Nahrungsmittel verzichten und beobachten, ob die Symptome wirklich verschwinden.