Kinder sehen sich soziale Vorurteile schon früh ab

Für die Erziehung ist es wichtig, die eigenen Denkmuster regelmäßig mit der Realität abzugleichen

Von Cornelia Scherpe
5. Januar 2017

Auch wenn es nicht schön ist, jeder Mensch hat Vorurteile. Das Gehirn begegnet damit der Komplexität der Umwelt und bastelt sich Kategorien. Gäbe es überhaupt keine vorgefertigten Denkweisen, müsste jeder Reiz von Grunde auf neu bewertet werden. Das wäre zu kompliziert. Dennoch ist es wichtig, die eigenen Denkmuster regelmäßig mit der Realität abzugleichen und viele Eltern versuchen, ihre Kinder so vorurteilsfrei wie möglich zu erziehen.

Dennoch zeigen bereits die Kleinen im Kindergarten klassisches "Wir und die anderen"-Denken. Sie bilden also soziale Gruppen und bewerten Einzelpersonen aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit. Doch woher kommen diese Vorurteile in so jungen Jahren?

Deutung nonverbaler Zeichen

Viele Eltern könnten beschwören, dass sie keine schlechten Aussagen über Menschengruppen treffen und dennoch zeigt ihr Kind frühzeitig eine Abneigung gegen die Menschen, die von ihren Eltern insgeheim schlechter bewertet werden. Eine aktuelle Studie zeigt: Kleinkinder sind exzellente Beobachter.

Die Jungen und Mädchen können meist bereits im Alter von vier Jahren die nonverbalen Zeichen ihrer Eltern deuten. Diese müssen sich daher nicht abfällig über andere Menschen äußern, es genügt ein zweifelnder Blick oder eine ablehnende Körperhaltung. Die Kinder lernen aus den beobachteten Szenen und übertragen die Merkmale der gesehenen "bösen Person" auf eine ganze Gruppe.

Vorurteile im Experiment

Die Studie zeigte Vier- bis Fünfjährigen ein Video mit zwei Frauen. In einem Kurzfilm waren beide sehr herzlich und die erste Frau gab der zweiten ein Spielzeug. Im zweiten Film wurde das Spielzeug zwar ebenfalls überreicht, doch die Geberin zeigte nonverbal ihre Abneigung gegen die Beschenkte. Nach dem Video fragte man die Kinder, welcher der beiden beschenkten Frauen sie ein Spielzeug geben würden. Zwei Drittel nannten die Dame, die nonverbal mit positiven Signalen beschenkt worden war.

Ein zweites Experiment veränderte die Situation und ließ die Beschenkten entweder schwarze oder rote Shirts tragen. Danach kamen zwei andere Personen, die entweder schwarz oder rot trugen. Die Kinder wollten ihr Spielzeug nur den Trägern der Farbe geben, die auch im Video positiv behandelt worden waren. Sie hatten also gesehene Vorurteile auf eine ganze Gruppe übertragen.