Werden Menschen mit leichter Depression übertherapiert?

Von Nicole Freialdenhoven
11. Dezember 2013

Weil immer mehr Menschen aus nichtigen Gründen eine "leichte Depression" diagnostiziert bekommen, fehlt es sinnvoller Betreuung für die wirklich an einer psychischen Erkrankung leidenen Personen. Diese Auffassung vertrat der amerikanische Psychologe Allen Frances bei einer Rede auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde in Berlin. Er verwies dabei auf die neuen Richtlinien in den USA hin, wonach beispielsweise Menschen, die länger als zwei Wochen um einen Verstorbenen trauern, bereits depressiv sein sollen.

In Deutschland wird dies zwiespältig gesehen. Der starke Anstieg an Depressionen sei einerseits den Arbeitsbedingungen der modernen Leistungsgesellschaft geschuldet, die viele überfordert, und andererseits einer größeren Bereitschaft über seelische Probleme zu sprechen. Kritisiert wird jedoch auch hier, dass schon bei leichten Depressionen Psychopharmaka wie die Selektiven Serotoni-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) verschrieben werden, die zur körperlichen Abhängigkeit führen können.

Auch sollten Menschen mit vorübergehenden leichten Depressionen nicht die ohnehin zu knappen Psychotherapieplätze belegen, die von Patienten mit einer echten psychischen Erkrankung benötigt werden. Sinnvoller seien Kurzzeittherapien und die stärkere Beachtung einfacher Hilfsmittel wie mehr Bewegung und bessere Schlafhygiene. Auch sollte stärker auf die Vorbeugung geachtet werden, wenn Patienten erste Anzeichen für eine Depression zeigen oder über erhöhten Stress klagen.