Auch nach einer jahrelangen Lähmung können die Gliedmaßen wieder spürbar werden

Willenskraft und moderne Medizin: Erfolge durch Intensivtraining und die Unterstützung eines Exoskeletts

Von Cornelia Scherpe
19. August 2016

Wer durch Krankheit oder Unfall plötzlich gelähmt ist, hat ein hartes Schicksal. Die moderne Medizin arbeitet seit Jahren angestrengt an Wegen, damit Gelähmte zumindest teilweise das Gefühl in Armen und/oder Beinen zurückbekommen. Kleine Erfolge gibt es bereits und sie machen allen Betroffenen Hoffnung.

Intensivtraining für das Spüren und Kontrollieren

Querschnittslähmungen sind zwar bisher nicht umkehrbar, doch durch Intensivtraining kann über die Jahre eine messbare Verbesserung hergestellt werden. Dies zeigt eindrucksvoll ein aktuelle Studie mit acht Patienten zwischen 26 und 38 Jahren:

  • Sieben Patienten waren komplett querschnittsgelähmt und spürten unterhalb ihrer Verletzung keine Berührungen.
  • Ein Patient hatte eine inkomplette Querschnittslähmungen und konnte die Gliedmaßen nicht bewegen, aber Hautkontakt spüren.

Mittels Elektroden am Kopf und einem Computer trainierten die Patienten intensiv das Spüren und Kontrollieren der unteren Extremitäten. Vier Stunden am Tag und das täglich arbeiteten sie mit der Gehirn-Maschine-Schnittstelle. Auch wenn zunächst kein Erfolg für die Betroffenen spürbar ist, ist das Training für das Gehirn wichtig.

Wird nicht immer wieder versucht, ein gelähmtes Körperteil "anzusprechen", klammert das Hirn selbst die Gliedmaßen aus. Die Nervenzellen, die beim Bewegen der Beine im Gehirn aktiv werden, schalten sich ab und es gehen die Nervenverbindungen im Gehirn verloren, die für die Steuerung der gelähmten Teile zuständig sind.

Willenskraft und moderne Medizin

Durch virtuelles Trainieren wird das Gehirn dahingehend wieder aktiviert. Ist das erfolgreich, kann ein Exoskelett genutzt werden, damit sich Gelähmte mit den Hilfsmitteln bewegen können. Die Impulse vom Gehirn kommen zwar nicht in den Beinen an, wohl aber im Exoskelett. Durch Vibrationen beim "Gehen" bekommt das Gehirn außerdem beständig Feedback. Bei den acht Querschnittsgelähmten führte das dazu, dass sie die gelähmten Gliedmaßen wieder spüren können. Der Druck von Berührungen kommt im Gehirn an. Nur Temperaturschwankungen registrieren sie nicht.

Die Studie zeigt, wie Willenskraft und moderne Medizin der Querschnittslähmung entgegentreten. Am erfolgreichsten ist eine Patientin, die nach 13 Jahren Lähmung nur ein Jahr brauchte, bis sie sich mittels Exoskelett willentlich bewegen konnte.

Da alle Studienteilnehmer bereits Jahre vor Beginn der Therapie gelähmt waren, glauben die Forscher, dass die Erfolge bei Patienten mit erst kurzer Lähmungsdauer noch größer ausfallen könnten.