Neue Diagnose "Skin Picking" - Kratzen und Knibbeln bis aufs Blut
Durch einen Defekt der Impulskontrolle entwickeln Erkrankte selbstzerstörerisches Verhalten
Waschen, drücken, reiben - mit seiner Haut beschäftigt sich der Mensch täglich. Rund zwei bis vier Prozent der Bevölkerung rücken sich aber mit brachialer Gewalt auf die eigene Pelle. Wer unter der Skin Picking Disorder oder Dermatillomanie leidet, quetscht, kratzt und zieht so lange an der Haut, bis Blut fließt.
- Schamgefühle,
- Entzündungen und
- Narben
führen zusätzlich zur sozialer Isolation.
Was ist Skin Picking?
Im Diagnostischen und Statistischen Handbuch Psychischer Störungen (DSM) ist Skin Picking als "Abnorme Gewohnheit und Störung der Impulskontrolle" klassifiziert. Andere Erkrankungen aus dieser Gruppe sind etwa das Ausreißen von Haaren (Trichotillomanie) oder Kleptomanie. Bisher gibt es allerdings wenig Forschung zur Dermatillomanie.
Neben Jugendlichen, die oft im Zusammenhang mit einer Akne das Hautknibbeln anfangen, scheint es einen zweiten Häufigkeitsgipfel bei Erwachsenen zwischen 30 und 45 Jahren zu geben. Beliebte Körperstellen für das zerstörerische Kratzen und Quetschen sind
Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer - oder sie leiden stärker unter ihrem Verhalten, so dass sie psychologische Hilfe suchen.
Kratzen als Ventil
Betroffene berichten, dass sie das Bearbeiten der Haut mit Nägeln, Zähnen oder Werkzeugen kurzfristig als angenehm und entspannend finden. Anschließend stellen sich aber starke Scham- und Schuldgefühle ein. Um die entzündete Hautstellen oder Wunden zu verbergen, tragen Skin Picker auch im Sommer meist lange Kleidung.
Das Umfeld der Betroffenen reagiert meist verständnislos auf die selbstzerstörerischen Gewohnheiten. Im Extremfall schämen die Knibbler sich so sehr, dass sie das Haus nicht mehr verlassen. Der Beginn eines Teufelskreises, denn die soziale Isolation verstärkt den Leidensdruck, der immer wieder erneut durch Kratzen, Pulen und Drücken abgebaut werden muss.
Wege aus der Selbstzerstörung
Wer stundenlang seine Haut
- knibbelt,
- reibt,
- kratzt oder
- quetscht,
folgt einem Drang, dem er kaum widerstehen kann. Während des Kratzens schaltet sich die Impulskontrolle ab, die Gedanken an die schädlichen Konsequenzen können sich nicht durchsetzen. Um dem Teufelskreis zu entkommen, müssen die Betroffenen deshalb wieder die Kontrolle über ihr Verhalten gewinnen.
Habit Reversal Training
Bewährt haben sich dabei die kognitive Verhaltenstherapie und das Habit Reversal Training (HRT), das auch bei Nägelkauen oder Daumenlutschen wirksam ist.
In einem ersten Schritt lernen die Betroffenen dabei, ihr eigenes Verhalten zu beobachten und Situationen zu erkennen, in denen sie für Picking-Schübe anfällig sind. Im zweiten Schritt bauen die Teilnehmer eine Veränderungsmotivation auf, begleitet von konkreten Übungen, wie sie möglichst frühzeitig negative Verhaltensketten unterbrechen. Statt die Haut zu traktieren, werden alternative Verhaltensweisen eingeübt.
Wenn der Drang zum Kratzen kommt, könnten die Betroffenen etwa die Hände zur Faust ballen. Je öfter sie diese alternativen Gewohnheiten trainieren, desto schwächer werden die schädlichen Verhaltensketten. Hilfreich ist regelmäßige positive Verstärkung beim erwünschten Verhalten, beispielsweise in einer Selbsthilfegruppe oder durch einen Coach.
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